Heavy Metal (German Edition)
und trat gleich in den Flur. Hinter einer offenen weißen Türe mit kunstvoll verzierten Glasfensterchen verriet die sichtbare Ecke einer Couchgarnitur das Wohnzimmer. Manni Krämer und die beiden Streifenpolizisten saßen einem Mädchen gegenüber. Alle vier schauten kurz auf, als er an den Rahmen der Wohnzimmertür klopfte.
„Guten Morgen, Kamphaus mein Name.“
Das Mädchen hob ihren Blick nur kurz an und senkte ihn sofort wieder auf die Auslegeware, während Manni sich abrupt erhob und zu ihm herüberkam. Er zupfte Kamphaus am Ärmel und machte ihm deutlich, ihn im Hausflur sprechen zu wollen.
„Gut, dass du mich hast anrufen lassen, Junge. Ich bin zwar erst ein paar Minuten da, aber ein kleines Bild habe ich mir schon gemacht.“
„Und“, Kamphaus gähnte herzzerreißend, „hat es sich gelohnt, mitten in der Nacht hierher zu kurven?“
„So schnell bin ich auch nicht. Iris Serrig hat den Klassiker gewählt: Schlaftabletten. Die Tochter hat sie gefunden, kam zufällig nach Hause obwohl sie das wohl eigentlich gar nicht vorhatte und fand sie.“
„Abschiedsbrief?“
„Ein paar Sätze. Bin ich noch nicht zu gekommen. Die Tochter, Jessica heißt sie übrigens, ist sechzehn irgendwie lethargisch. Der RTW ist abgefahren als ich ankam, die Sanis wollten sich auf keine Prognose einlassen.“
„Ja gut. Mal sehen, ob uns der Besuch hier was bringt. Gibt's noch mehr?“
„Nee, wollte Dir nur erst mal einen kleinen Überblick geben.“
Im Flur kamen Kamphaus und Manni die beiden Streifenpolizisten entgegen. Der eine, ein schlaksiger junger Kerl, den er vom Sehen her kannte, nickte Kamphaus zu: „Wir sind dann jetzt weg. Irgendeine Kneipenklopperei ruft. Wir haben eben noch im Beisein des Mädchens ihre Oma angerufen, die Mutter von Frau Serrig. Die kommt gleich vorbei um sich zu kümmern. Sie kommen klar?“
„Ja, sicher. Schönen Dienst noch die Herren!“
Kamphaus und Manni betraten das Wohnzimmer und setzten sich dem Mädchen gegenüber. Ihr Blick blieb nach unten gerichtet, sie wirkte mehr als teilnahmslos.
„Ich bin Bernd Kamphaus von der Kriminalpolizei. Meinen Kollegen Manfred Krämer kennst du ja schon. Vielleicht wunderst du dich, dass die Kripo hier auftaucht, aber wegen der Sache mit deinem Vater wären wir morgen sowieso hier vorbeigekommen. Und unter den jetzigen Umständen, das mit deinen Eltern tut uns übrigens sehr leid, wollten wir lieber gleich hierher, um mit dir zu sprechen“.
Keine Reaktion. Kamphaus wartete ein paar Sekunden und fuhr fort.
„Das ist ganz bestimmt ein riesiger Schock für dich gewesen, so kurz hintereinander. Ich habe eben gehört, dass deine Oma auf dem Weg ist?“
Jessica Serrig nickte kaum merklich. Ihre schwarzen, langen Haare hingen ihr strähnig in die Stirn.
„OK. Gut, dass du wenigstens jemanden da hast heute Nacht. Dürfen wir dir denn noch ein paar Fragen stellen, auch wenn du vieles zum zweiten Mal erzählen musst, oder sollen wir besser morgen wieder vorbeikommen?“
„Ach, die Alte soll bleiben wo sie ist!“ Jessica Serrig hatte sich ruckartig aufgerichtet. Bernd Kamphaus sah nun zum ersten in ihr Gesicht. Markant, dennoch hübsch, große Augenbrauen und überhaupt nicht zu einer Sechzehnjährigen passend. Ihr Blick heftete sich auf die Glasplatte des Wohnzimmertisches.
„Wen meinst du“, Manni Krämer verlagerte seinen Körper fragend auf die Sesselkante.
„Esther. Oma. Ich kann sie nich' ab. Hat einer von Ihnen vielleicht 'ne Kippe?“
Kamphaus fummelte in seiner Jacke und förderte aus den tiefsten Tiefen einer Innentasche ein halb zerknülltes Päckchen Gauloises zutage. Eigentlich hatte er das Rauchen vor zehn Jahren aufgegeben, aber seit der Scheidung genehmigte er sich hin und wieder einmal einen Glimmstängel, allerdings nur in Verbindung mit Alkohol.
„Danke. Feuer?“
Auch diesem Wunsch kam der Oberkommissar folgsam nach. Während sich das erste Qualmwölkchen Jessicas in die hohe, mit Stuck verzierte Decke des Altbaus aufmachte, hob sie endlich auch ihren Blick und schaute die beiden Polizisten vor sich abwechselnd an. Kamphaus sah keine Tränenspuren in ihrem Gesicht, kein Zeichen von verwischter Schminke, die sie reichlich trug.
„Also, nochmal“, begann sie gelangweilt, „eigentlich wollte ich bei meinem Freund pennen, aber ich bin so fertig wegen Daddy und deswegen hab ihn wegen jeder Kleinigkeit angemacht und so. Na ja, jedenfalls haben wir uns gezofft und ich bin nach Hause. Ich war total geladen, bin
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