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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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wurde unser Lohn wirklich gestohlen?«
    »Der Inselvogt wird den Schuldigen finden, dann bekommt ihr euer Geld sofort.«
    »Wenn der Kerl es noch hat!«
    »Ansonsten zahle ich euch am nächsten Ersten den doppelten Lohn.«
    »Und wovon sollen wir bis dahin leben?«
    Darauf hatte Dr. Pollacsek nichts zu antworten gewusst. Er war froh, als ein junger Mann sich zu Wort meldete, der in der letzten Reihe stand und bis dahin geschwiegen hatte. Dass dessen verstorbener Vater ein Freund des Inselvogts gewesen war, hatte Julius Pollacsek bisher nicht erfahren.
    »Ich weiß von meinem Paten, dass der Kurdirektor recht hat«, rief er. »Lasst uns lieber dabei helfen, den Kerl zu fangen, der den Tresor ausgeraubt hat. Vielleicht war es einer der Strandräuber, die zwischen Westerland und Wenningstedt hausen!«
    Einige junge Kerle stimmten ihm sofort begeistert zu, die Älteren, die Familienväter, wollten nichts davon wissen, auf Verbrecherjagd zu gehen. »Das ist nicht unsere Aufgabe.«
    Aber als die jungen Heißsporne davon redeten, dass man diesen Kerl, sobald er gefunden sei, so lange in die Zange nehmen wolle, bis er seine Beute rausrückte, nickten auch sie.
    Am Ende löste sich die Versammlung schnell auf, weil die Wut sich vom Kurdirektor weg auf den Dieb gerichtet hatte. Dr. Pollacsek war zwar erleichtert, weil man ihm nun zu glauben schien, aber als er sich vorstellte, wie seine Arbeiter mit einem unschuldigen Kurgast umgehen mochten, nur weil er viel Geld auf einen Ladentisch blätterte, kam seine Sorge umso stärker zurück. Diese Arbeiter, die an Armut gewöhnt waren, konnten sich ja gar nicht vorstellen, dass es Menschen gab, die so viel Geld in den Taschen hatten, wie sie selbst im ganzen Jahr nicht verdienten. Sie würden jeden verdächtigen, der viel Geld ausgab. Was mochte aus Westerland werden, wenn rachedurstige Arbeiter sich auf einen reichen Feriengast stürzten, weil sie glaubten, dass er mit gestohlenem Geld bezahlte?
    Eine kleine Gruppe stand noch beisammen, die aus den älteren, besonnenen Männern bestand. Pollacsek trat zu ihnen und bat sie, ein Auge auf ihre jungen Kollegen zu haben. »Es würde dem Fremdenverkehr schwer schaden, wenn Feriengäste zu Unrecht beschuldigt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass einer der Sommerfrischler etwas mit dem Diebstahl zu tun hat. Das sind Leute, die es nicht nötig haben, jemanden zu bestehlen.«
    Aber schon war das Misstrauen wieder in alle Augen gestiegen. Der Kurdirektor war kein geborener Sylter. Wenn er sich auch um das Wohl der Insel bemühte, tat er es schließlich auch für sein eigenes Wohl. Und das machte ihn verdächtig! Ihresgleichen trauten sie keinen Diebstahl zu, aber einem Mann wie Dr. Pollacsek? Einem früheren Ungarn! Einem Freund des großen Dichters Theodor Storm! Einem Mann, der mit Bank- und Kommissionsgeschäften reich geworden war und weit über hunderttausend Mark in die neue Inselbahn investiert hatte! So einem trauten sie alle nur so lange über den Weg, wie er lebte wie ein Sylter und so handelte wie sie.
    »Sie meinen, es muss ein Sylter gewesen sein?«, fragte der Älteste von ihnen. »Warum sollte ein Einheimischer so viel Geld stehlen? Er könnte nichts damit machen. Sobald er versuchte, es auszugeben, wäre er entlarvt.«
    Aber ein Mann wie Dr. Pollacsek, der reich genug war, das Seebad Westerland zu kaufen, war vielleicht reich geworden, weil er sich viel Geld ergaunert hatte? Und weil er rechtschaffene Menschen um ihren Lohn betrog? Diese Frage stand nun in aller Augen.
    Pollacsek war froh, als leichter Regen einsetzte und auch die letzten Arbeiter auseinandertrieb. Ganz langsam ging er ihnen nach, damit sie sich immer weiter von ihm entfernten und er schließlich allein in den Ort hineinlaufen konnte. Marinus Rodenberg war der Einzige, der zögerte und so aussah, als wollte er mit dem Kurdirektor ein Gespräch unter vier Augen führen.Aber anscheinend spürte er, dass Dr. Pollacsek allein bleiben wollte, und ging den Arbeitern hinterher, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Er war erfreut, als er Dr. Nissen vor seiner Tür antraf. »Wollen Sie mich besuchen?«
    »Ich möchte mich nach Ihrer Gesundheit erkundigen«, antwortete Dr. Nissen.
    »Wie nett! Wie freundlich!«, rief Julius Pollacsek. »Dabei sind Sie doch eigentlich auf Sylt, um sich zu erholen!«
    Dr. Nissen wies diese Bemerkung energisch zurück. »Wenn ein guter Freund krank wird, ist es selbstverständlich, sich um ihn zu kümmern. Auch während des Urlaubs.«
    Dr.

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