Hebamme von Sylt
Sylter Honoratioren zu sich gebeten hat, dann wird am Ende auch dieser schreckliche Inselvogt bei Tisch erscheinen?«
Graf Arndt nickte nachdenklich. »Es wäre natürlich ein Affront, wenn der Kurdirektor eingeladen wäre und der Inselvogt nicht. Andererseits … die Königin hat es nicht nötig, Heye Buuß freundlich zu kommen. Ich glaube, der Mann besitzt nicht einmal einen ordentlichen Anzug. Seine Frau soll sich vor der Heirat als Schweinemagd verdingt haben.«
Die Gräfin schüttelte sich. »Zum Glück ist der Kurdirektor ein gebildeter Mann. Vermögend und erfolgreich sogar.«
Der Kutscher öffnete die Türen, und Graf Arndt stieg aus. Wie immer ließ er es sich nicht nehmen, seiner Frau höchstpersönlich aus der Kutsche zu helfen. Er wartete, bis sie ihre Röcke geordnet hatte, damit sie aussteigen konnte, ohne dass sich ihre Fußspitzen in der Seide verfingen.
»Es wird wohl nur eine kleine Gesellschaft geben«, meinte sie, bevor sie ihrem Mann die Hand reichte. »Unter den Syltern gibt es nicht viele, die eine Einladung von der Königin erwarten können. Und ob der Adel unter den Feriengästen vertreten ist, entzieht sich meiner Kenntnis.« Sie setzte den ersten Fuß vorsichtig auf die Straße. »Oder weißt du von einer Familie, die uns bekannt ist?«
»Nur die Bauer-Breitenfelds«, antwortete Graf Arndt, dann sorgte er dafür, dass seine Frau sicher mit beiden Beinen auf der Straße zu stehen kam, ohne dass die moosgrüne Seide ihres Rockes in Gefahr geriet. »Vielleicht kommt Dr. Nissen auch«, meinte er. »Er ist ein angenehmer Gesprächspartner.«
Aber die Gräfin hielt diese Möglichkeit für ausgeschlossen. »Ein geschiedener Mann? Niemals!«
Graf Arndt gab zu bedenken, dass der Hamburger Arzt zu dem Empfang direkt nach der Ankunft der Königin eingeladen worden war, aber das ließ Katerina nicht gelten. »Er war an deiner Seite, also musste sie ihn auch einladen. Inzwischen wird sie wissen, was es mit Dr. Nissen auf sich hat.«
Graf Arndt gab ihr Recht, dann half er auch Elisa aus der Kutsche, die einen ängstlichen Blick zur Villa Roth warf. Dort öffnete sich gerade die Eingangstür, und Alexander von Nassau-Weilburg trat heraus. Elisa schwankte und klammerte sich an den Arm ihres Vaters, um nicht hinzufallen. In ihrem Kopf drehte sich alles, ein Gedanke jagte den anderen, Angst und Hoffnung fielen übereinander her.
Auf Katerinas Gesicht dagegen erschien ein zufriedenes Lächeln. »Er will dich als Erster begrüßen«, raunte sie ihrer Tochter zu. »Ein untrügliches Zeichen!«
Tatsächlich schien Fürst Alexander nur wegen Elisa und ihrer Eltern vor die Tür getreten zu sein. Mit besonderer Herzlichkeit begrüßte er das gräfliche Paar und beugte sich dann über Elisas Hand. »Comtesse, ich habe diesen Abend herbeigesehnt.« Er blickte ihr lächelnd in die Augen. »Ich kann mir noch immer nicht verzeihen, dass ich gestern in die falsche Richtung gelaufen bin. Dabei war ich so glücklich, dass Ihr Vater mir gestattet hatte, Sie auf Ihrem Spaziergang in den Dünen zu begleiten.«
Graf Arndts Lachen klang ein wenig künstlich. »Das ist schon ein kleines Kunststück, zwei junge Damen in den Dünen zu verfehlen!« Er klopfte dem jungen Fürsten die Schulter, damit kein Zweifel blieb, dass er einen Scherz gemacht hatte, und vielleicht auch deshalb, weil er ihn mit dieser väterlichen Geste ermuntern wollte.
Fürst Alexander schien ihm dankbar zu sein. Er reichte Elisa den Arm und sagte, während sie gemeinsam auf den Eingangder Villa Roth zugingen: »Heute lasse ich Sie nicht mehr aus den Augen, Comtesse.«
Elisa schaffte es, ein Lächeln hervorzubringen, mit dem ihre Mutter zufrieden sein konnte. Fest klammerte sie sich an Alexanders Arm und war ihm dankbar für sein aufmunterndes Nicken. Anscheinend hatte er nicht vor, sie zu verraten. Obwohl er sehr enttäuscht sein musste und vielleicht sogar verärgert oder entrüstet war, ließ er sich nichts anmerken. Ein wahrer Gentleman!
Elisa ging es besser, als sie in die Halle traten und von dem Ehepaar Roth empfangen wurden. Alexander von Nassau-Weilburg würde mit der Königin an den rumänischen Hof zurückkehren und dann nichts mehr von sich hören lassen. Und ihre Eltern würden sich nach einem anderen geeigneten Bewerber um ihre Hand umsehen. Ein leichtes Bedauern legte sich über ihre Erleichterung. Fürst Alexander wäre tatsächlich ein angenehmer Ehemann gewesen. Ob sich noch einmal ein so sympathischer Verehrer für sie finden
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