Hebamme von Sylt
dastehen, wenn er nach dieser zur Schau getragenen Verzückung von einem Heiratsantrag absah? Oder war gerade das sein Plan? Wollte er sie auf diese raffinierte Weise demütigen? Elisa wurde das Mieder eng, als sie sich vorstellte, dass Alexander von Nassau-Weilburg es so weit treiben konnte, dass ihre Eltern schon Hochzeitspläne schmiedeten, um erst dann zu erklären, dass Elisa von Zederlitz seiner nicht würdig war!
Sie war froh, als das Erscheinen der Königin sie von ihrer Sorge ablenkte. In einem cremefarbenen Kleid schritt sie dieTreppe hinab, das aus seinem fließenden Stoff gemacht war, der über dem Mieder mit unzähligen Biesen verstärkt worden war und nur in den Ärmeln und einem weiten Rock zeigte, wie weich und duftig er war. Ioan Bitu kam direkt hinter ihr die Treppe hinab, wie immer ganz in Schwarz gekleidet. Sein finsterer Bart überwucherte die untere Hälfte seines Gesichts, das ebenso schwarze Haar fiel ihm so tief in die Stirn, dass es die schwarzen Augenbrauen verdeckte. Die dunklen Augen blickten angestrengt, was daran liegen mochte, dass einige seiner schwarzen Locken so weit über die Augen fielen, dass sein Blick behindert wurde. Aber er schien nicht daran zu denken, die Haare zurückzustreichen. Elisa kam es so vor, als versteckte er sich hinter seiner dunklen Erscheinung.
Er sprach nicht, während er die Gäste begrüßte, sah nur jeden von ihnen so ausdrucksvoll an, als hätte er zwar viel zu sagen, als lohne sich jedoch die Anstrengung nicht. Hermine von Bauer-Breitenfeld wich sogar ängstlich zurück, als er ihre Hand an seine Lippen zog, und Dr. Pollacsek sah ausgesprochen unbehaglich aus, als er den rumänischen Lyriker begrüßte.
Zum Glück öffnete Herr Roth kurz darauf die Tür des Salons, wo eine festlich geschmückte Tafel aufgebaut worden war. Die Königin legte Wert auf die Erklärung, dass sie das Ehepaar Roth um ein schlichtes Essen gebeten habe, weil sie auf keinen Fall zulassen wollte, dass ihr Besuch in der Villa zu besonderen Belastungen für die Roths führte.
Herr Roth bedankte sich mit so vielen Worten für die Bescheidenheit der Königin, dass Alexander die Gelegenheit hatte, Elisa zuzuflüstern, er genieße ihre Gegenwart ganz außerordentlich. »Ihr Liebreiz, Comtesse, stellt alles in den Schatten, was ich je gesehen habe.«
Elisa warf ihm einen unsicheren Blick zu. Warum trieb er es so weit mit seiner Verehrung? Ihre Mutter, die ihr schräg gegenübersaß, lächelte derart zufrieden, dass es schwer werden würde, ihr später zu erklären, warum Fürst Alexander von seinenHeiratsabsichten Abstand genommen hatte. So dankbar sie ihm nach wie vor war, dass er die schreckliche Begegnung in den Dünen mit keiner Silbe erwähnte und nicht durchblicken ließ, dass er sie dafür verachtete, so wäre es ihr doch lieber gewesen, er verhielte sich so, dass niemand auf den Gedanken kam, aus ihnen könnte ein Paar werden.
Als die Krebssuppe serviert wurde, plauderte die Königin über ihr Leben in Bukarest, dann bat sie Ioan Bitu, der Dinnergesellschaft etwas über den lyrischen Zirkel zu erzählen, den sie gemeinsam am königlichen Hof eingerichtet hatten.
Ioan Bitu redete sichtlich ungern, seine Miene erhellte sich erst, als die Königin ankündigte, dass er nach dem Essen einige seiner Gedichte zu Gehör bringen dürfe.
»Das wird bestimmt schrecklich langweilig«, flüsterte Alexander. »Besser, wir machen währenddessen einen Spaziergang im Garten.«
Elisa sah ihn verblüfft an. Alexander von Nassau-Weilburg pfiff auf die Etikette? Das überraschte sie noch mehr als sein galantes Verhalten. Doch ihre Sorge und ihr Misstrauen waren nach wie vor wach. Wollte er sie in eine dunkle Ecke des Gartens führen, um aller Welt zu zeigen, dass man mit einer Frau wie ihr so umgehen dürfe? Eine Frau, die ihre Ehre hingegeben hatte, durfte kein ehrerbietiges Verhalten erwarten!
Die Königin merkte, dass Ioan Bitu auf wenig Aufmerksamkeit traf, und versuchte zu vermitteln. Der Lyriker schien ein sehr empfindsamer Mensch zu sein, das musste Königin Elisabeth besser wissen als alle anderen. Und anscheinend war er tatsächlich drauf und dran, sich zu betrinken, weil die Gäste der Königin nur mit mäßigem Interesse seinen Erzählungen über den literarischen Zirkel am königlichen Hofe lauschten und sogar mit Teilnahmslosigkeit reagierten, als ihnen der Vortrag seiner Lyrik in Aussicht gestellt wurde. Die Königin warf ihm einen besorgten Blick zu, als er nach dem
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