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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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Hebamme gewesen seinkönnte? Jemand hat die Beute in ihrem Haus versteckt, weil er glaubte, bei einer Person, die sich bisher nichts zuschulden kommen ließ, wäre sie besonders sicher?«
    »Dann hat die Gesellschafterin Ihrer Tochter der Hebamme einen schlechten Dienst erwiesen«, sagte die Königin und sah Gräfin Katerina vorwurfsvoll an.
    Graf Arndt antwortete anstelle seiner Frau: »Wenn es sich so verhält, konnte Hanna es nicht wissen.« Und mit einem schnellen Blick zu Katerina ergänzte er: »Sie ist eine sehr angenehme junge Frau.«
    Dr. Pollacsek griff sich an den Magen. »So freundlich habe ich noch nie von Hanna Boyken reden hören, Herr Graf!«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Graf Arndt so scharf zurück, dass Herr Roth, der seiner Frau gerade eine Anweisung zutuscheln wollte, aufmerksam wurde und vorerst darauf verzichtete, den Portwein holen zu lassen. »Hanna Boyken ist tatsächlich nicht beliebt«, sagte er und ergänzte schnell: »Aber man darf nicht vergessen, welch schweres Schicksal sie hat. Diese verkrüppelte Hüfte! Sie war bereits fünf Jahre alt, als sie endlich laufen lernte.«
    Frau Roth bestätigte die Worte ihres Mannes. »Wenn ihre Mutter wenigstens Geld für einen Arzt hätte! Aber sie konnte Hanna nicht einmal orthopädische Schuhe kaufen. Die würden ihr das Laufen erleichtern.«
    »Tatsächlich?« Das Interesse des Grafen war so naiv und unverbildet, dass Katerina Mühe hatte, ihren Gleichmut beizubehalten. »Dann werden wir solche Schuhe für sie anfertigen lassen und ihr schenken.«
    Die Königin war entzückt über diese Mildtätigkeit und voll des Lobes für Graf Arndt. Wie sehr er unter den freundlichen Worten litt, sah nur Katerina. Und dass er seine spontane Äußerung bereute, bemerkte ebenfalls nur sie. Niemand wusste besser als seine Frau, dass Graf Arndt seine guten Werke normalerweise im Stillen tat.
    Katerina warf Elisa einen Blick zu, als erwartete sie, dass ihre Tochter, die sonst immer für ihre Gesellschafterin eintrat, etwas dazu sagte. Aber Elisa schwieg. Sie sah auf ihre Hände, als wären ihre Gedanken schwer, und bemerkte nicht einmal den Blick Alexander von Nassau-Weilburgs, der sie besorgt betrachtete.
    Geschickt führte Katerina das Gespräch auf die Hebamme zurück. »Wie soll sie an so viel Geld gekommen sein?«
    Herr Roth war sicher. »Dafür gibt es nur eine Erklärung. Es muss aus der Beute stammen.«
    »Und wenn nicht?«, fragte Graf Arndt und beantwortete diese Frage gleich selbst: »Dann wird sie dem Inselvogt inzwischen erklärt haben, wie sie an das Geld gekommen ist.«
    »Aber was immer sie vorgibt«, ergänzte Herr Roth, »sie wird es beweisen müssen. Sonst glaubt ihr niemand.«
    »Vielleicht kann ihr Verlobter ihr helfen«, meinte Dr. Pollacsek. »Er ist ein vermögender und geachteter Mann.«
    Graf Arndt legte seinen Löffel beiseite und starrte den Kurdirektor an. »Die Hebamme ist verlobt?«
    »Mit Dr. Nissen!« Dr. Pollacsek grinste schief. »Jetzt fällt es mir ein. Ihr Bruder …« Er schluckte den Rest des Satzes herunter. »Ob Dr. Nissen noch bereit sein wird, Geesche Jensen zu heiraten, wenn sie überführt ist?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ein Mann wie er wird niemals eine Diebin heiraten.«
    »Wie auch?«, fragte Frau Roth. »Die Hebamme wird die nächsten Jahre im Gefängnis verbringen.«
     
    Die Nacht knisterte, stöhnte und fauchte. Dann wieder stand sie still vor den Fenstern wie ein neugieriger Nachbar, aber schon im nächsten Augenblick rüttelte der Wind an den Läden und pfiff ums Haus. Dann rückte das Summen des Wasserkessels näher, das Knacken der Bodendielen und das Knarren der Binsenstühle.
    Sie schwiegen lange. Freda starrte auf ihre Hände, die hinund her zuckten, als könnte sie nicht glauben, dass es nichts für sie zu tun gab, Hannas Blick war stumpf, als hätte sie jeden Gedanken aus ihrem Kopf verbannt, Dr. Nissen trommelte nervös auf seinen Schenkeln herum. Hemdsärmelig saß er am Tisch, wie er es in Geesches Gegenwart niemals getan hätte, und Ebbo stellte fest, dass ihm mit dem Ablegen des Jacketts ein großer Teil seiner Ausstrahlung verloren gegangen war. Es gefiel ihm. Wahrscheinlich hätte er sich nach Geesches Verhaftung verdrückt, wenn Dr. Nissen der vornehme Arzt geblieben wäre, der er bisher für Ebbo gewesen war. Er selbst hockte auf der vorderen Kante seines Stuhls, hätte sich gern verabschiedet und wäre zur Villa Roth gelaufen, um zu sehen, ob die Kutsche des Grafen noch

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