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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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sich schließlich erhoben, kaum dass es hell geworden war. Im Hause war noch alles ruhig gewesen. Rosemarie und Eveline hatten ihren Dienst noch nicht angetreten, und auch Hanna war erst später zu erwarten. Elisa hatte sich einen Morgenmantel übergeworfen und war in den Garten gegangen. Die Luft war kühl und klar, aber schon angefüllt mir Morgensonne, und so frisch und rein, wie sie nur auf Sylt war. Elisa fror nicht, obwohl ihr Morgenmantel dünn war und es nicht zu ihren Gewohnheiten gehörte, sich zu dieser frühen Stunde im Freien aufzuhalten. Ihre Mutter war davon überzeugt, dass die Sylter Luft nur vorsichtig dosiert zu genießen und das Reizklima für die zarte Gesundheit einer jungen Frau gefährlich war. Dabei vergaß sie gern, dass Elisa nie von zarter Gesundheit, sondern immer außergewöhnlich robust gewesen war.
    Elisa ließ sich auf einer Bank nieder, merkte aber bald, dass sie Bewegung brauchte, wenn sie nicht frieren wollte. Also stand sie wieder auf und wanderte durch den Garten. Sie griff sich in den Nacken, spreizte die Haare vom Kopf, bot sie dem Wind an, ließ sie sich aus der Stirn wehen. Sie genoss das Alleinsein. Es gab niemanden, der sie kritisch betrachtete, niemanden, der ihre Haltung korrigierte, keinen Dienstboten, dem sie ein Vorbild sein musste. Nicht einmal Hanna vermisste sie. Nein, Hanna erst recht nicht! Es wäre ihr sogar lieber,wenn Hanna gar nicht käme. Heute nicht und morgen auch nicht! Elisa brauchte Zeit, um sich darüber klarzuwerden, wie sie zu Hanna stand. War sie immer noch die Freundin, der sie vertraute? Dass Fürst Alexander seit dem Dinner in der Villa Roth nie wieder bei der Familie von Zederlitz vorgesprochen hatte, war Hannas Schuld. Das Glück, dass er sie nicht verraten hatte, wich allmählich der Enttäuschung, dass es überhaupt so weit gekommen war. Seitdem hatte sie Ebbo nicht gesehen. Die Sehnsucht zerriss ihr das Herz, aber die Angst war jetzt größer. Und das alles, weil Hanna nicht aufgepasst hatte!
    Jeden Morgen überlegte ihre Mutter, warum Fürst Alexander noch keinen Besuch bei ihnen gemacht hatte, jeden Morgen wurde Elisa gefragt, ob sie sich klug genug, sittsam genug, geistreich genug verhalten hatte, um dem Fürsten zu zeigen, dass sie die richtige Gemahlin für ihn war. Und jeden Morgen fasste Gräfin Katerina den Entschluss, den Tag im Garten statt am Strand zu verbringen, damit Alexander von Nassau-Weilburg sie hier antreffen konnte.
    »Die Königin hat beim Abschied zu verstehen gegeben, dass sie eine Heirat begrüßen und unterstützen würde. Und Alexander von Nassau-Weilburg tut immer alles, was die Königin wünscht!«
    Wie lange würde es dauern, bis ihre Mutter sich damit abgefunden hatte, dass der Fürst kein Interesse mehr an der Comtesse von Zederlitz hatte? Und wie oft mochte Elisa dann noch die Frage entgegengehalten werden, womit sie ihn enttäuscht hatte? Aber sie musste es geduldig ertragen, denn alles in allem hatte sie großes Glück gehabt, dass dem Fürsten nicht daran gelegen gewesen war, sie bloßzustellen. Er wusste, was Liebe war, deswegen hatte er Verständnis für sie gehabt. Was für ein Segen!
    Elisa war nun im hinteren Teil des Gartens angekommen, ohne es recht bemerkt zu haben. Hinter dem Heckenrosenwall, der das Grundstück abschloss, begann gleich der Anstiegder Dünen, die sie vom Meer trennten. Dieser Teil des Gartens war verwildert, die Büsche waren nicht ordentlich beschnitten worden, der kleine Nutzgarten in der Nähe der Küchentür zeigte, dass sich hier nicht die Herrschaften, sondern das Personal aufhielt. Es wurde Zeit, dass sie sich wieder dorthin begab, wo es eine Rasenfläche gab, auf der hölzerne Bänke vor dichten Buchsbaumhecken standen.
    Sie blieb wie angewurzelt stehen, als sie das Geräusch vernahm. Das Knarren einer Tür, flüsternde Stimmen, raschelnde Schritte im Gras. In diesem Moment fiel ihr ein, dass es in diesem Teil des Gartens eine Laube gab, die Okko, der Gärtner, bewohnte. Hinter einer Mauer war sie verborgen, an der allerlei Gerätschaften hingen, die für die Gartenarbeit benötigt wurden. Davor standen auch Tonnen für die Küchenabfälle und Krüge, mit denen das Wasser vom Brunnen geholt wurde.
    Himmel, hier hatte sie wirklich nichts zu suchen! Wenn ihre Mutter zu hören bekam, dass sie sich im Morgenmantel hierhin verirrt hatte! Nicht auszudenken!
    Doch es war zu spät, um zu fliehen. Sie konnte nur noch den Morgenmantel zusammenraffen und die Arme vor der Brust

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