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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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verschränken. Ein großer, kräftiger Kerl mit langen, ungepflegten Haaren und einem struppigen Bart stand plötzlich vor ihr. Okko war es nicht, den kannte Elisa. Wie kam ein Fremder auf das Grundstück der von Zederlitz?
    Der Mann erschrak genauso wie sie. Verblüfft starrte er sie an. Dass sie nicht zum Personal gehörte, musste ihm auf der Stelle aufgehen, obwohl sie so unangemessen gekleidet war.
    »Guten Morgen«, sagte er und sah sie abwartend an.
    In diesem Moment erschien auch Okko, und dessen Schreck war noch größer als der des Fremden. »Comtesse«, stottert er. »Sie hier?«
    Elisa richtete sich auf und setzte den Gesichtsausdruck auf, den ihre Mutter so gut beherrschte, wenn sie indigniert war. »Du hast Besuch, Okko?«
    »Mein Bruder«, entgegnete Okko, der seinen Schreck allmählich überwand. »Er hat bei mir übernachtet.«
    Okko war nur wenig kleiner als sein Bruder, aber wesentlich schlanker. Sein Gesicht war schmal, er hatte helle Augen, und seine Haare waren ordentlich geschnitten. Sein Bruder dagegen hatte ein breites, flächiges Gesicht mit hohen Wangenknochen und finsteren Augen.
    »Die Frau Gräfin hat erlaubt«, ergänzte Okko, »dass er in meiner Laube übernachtet.«
    Beinahe hätte Elisa gelacht. Ihre Mutter würde niemals etwas Derartiges erlauben! Sie würde sich eine solche Bitte nicht einmal anhören. Trotzdem sagte sie: »Wenn dem so ist …«
    Damit drehte sie sich um und ging. Okko war ein netter Kerl, sie wollte ihm keine Scherereien machen. Vor wenigen Tagen noch war ebenso gnädig mit ihr umgegangen worden, obwohl ihre Verfehlung viel schwerer wog. Dafür dankte sie dem Schicksal nun, indem sie Okko ebenfalls ungeschoren davonkommen ließ. Er sollte genauso erleichtert sein, wie sie selbst es gewesen war, nachdem Fürst Alexander sie mit seinem Verständnis überrascht hatte. Dass Okko seinen Bruder in seiner Laube schlafen ließ, war wirklich nicht weiter schlimm. Dass er ihr ins Gesicht log, wog dagegen viel schwerer. Am liebsten würde sie ihre Mutter fragen, ob sie von dem Bruder des Gärtners etwas wusste. Aber dann wäre vielleicht zur Sprache gekommen, dass sie sich im Morgenmantel und mit offenen Haaren dem Personal gezeigt hatte, und das wollte sie auf keinen Fall. Aber dass sie Okko kein Wort glaubte, würde sie ihm bei passender Gelegenheit klarmachen.
    Entschlossen ging sie zurück, blieb aber in der Nähe des Eingangstores stehen und blickte sich noch einmal um. So sah sie, dass Okkos Bruder über die Hecke sprang und sich in die Dünen davonmachte Richtung Strand. Erst jetzt fiel ihr das Gespräch ein, das am Tisch der Königin geführt worden war. Okko war Gärtner bei Baron Braun-Breitenfeld gewesen unddurch die Schuld seines Bruders, eines Strandräubers, im Gefängnis gelandet. Ob es sich dabei um den Bruder handelte, den Elisa soeben kennengelernt hatte? Ein Strandräuber! Sie schüttelte sich. Umso lächerlicher war Okkos Behauptung, ihre Mutter habe dem Gärtner gestattet, seinen Bruder in der Laube übernachten zu lassen.
    Sie wollte gerade ins Haus zurückgehen, da sah sie Hanna den Weg entlangkommen. Hanna bemerkte sie, versuchte schneller zu gehen, schwankte dadurch noch stärker und quälte sich noch mehr. Elisa brach es das Herz, Hannas Mühen zu beobachten. Vielleicht musste man ihr nachsehen, dass sie sich etwas vom Leben nahm, was ihr nie vergönnt sein würde? Schlimm genug, dass sie die Liebe wohl niemals selbst erleben würde, dass sie darauf angewiesen war, einem Liebespaar heimlich zuzusehen, wenn sie etwas von der Liebe wissen wollte.
    Hanna war außer Atem, als sie endlich vor Elisa stand. »Sie sind schon auf, Comtesse?«
    »Wie du siehst! Du kannst mir mein Frühstück machen. Ich möchte im Garten frühstücken.«
    »Soll ich nicht erst beim Ankleiden helfen?«
    »Das mache ich allein.« Elisa drehte sich um und ging ins Haus. Über die Schulter warf sie zurück: »Sorg dafür, dass die Bank blitzsauber ist. Ich möchte mein weißes Baumwollkleid anziehen.«
    Sie lief absichtlich so schnell ins Haus hinein und die Treppe hinauf, dass Hanna ihr unmöglich folgen konnte. Und sie ließ die Tür ihres Zimmers so laut ins Schloss fallen, dass Hanna es nicht wagen würde, daran zu klopfen, um sie zu überreden, ihr bei der Frisur zu helfen, ehe sie sich um das Frühstück kümmerte. Elisa wollte sich auch nicht bei Hanna erkundigen, wie es Ebbo ging und ob er nach ihr gefragt hatte. Hanna tat ihr leid, und Elisa fühlte sich nicht gut, weil

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