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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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derihm im Wege stand! Aber diesmal musste es sein. Wenn er in der folgenden Nacht den Wärter aus dem Gefängnis locken und unschädlich machen würde, kam es ihm sehr gelegen, dass er zornig auf ihn war. Das würde alles etwas leichter machen.
    Als er Stimmen hörte, wandte er sich ab und ging Richtung Strand. Er hatte Zeit. Dr. Pollacsek erwartete ihn nicht, mit seiner Arbeit für die Inselbahn war es vorbei. Marinus horchte in sich hinein und merkte, dass er bei diesem Gedanken ruhig blieb. Auch gekränkt war er nicht. Er wusste, dass es bei der Entscheidung des Kurdirektors nicht um seine Arbeitsleistung ging. Vermutlich hatte Arndt recht. Dr. Nissen hatte zur Bedingung gemacht, dass Marinus von der Insel verschwand. Und da es weniger gute Ärzte gab als gute Eisenbahningenieure, hatte Dr. Pollacsek sich darauf eingelassen. Ein Arzt konnte auf dem Festland wesentlich mehr verdienen als hier auf der Insel, wo die Menschen viel zu arm waren, um einen Arzt zu bezahlen. Erstaunlich, dass Dr. Nissen bereit war, sein komfortables Leben in Hamburg für diese Ungewissheit aufzugeben. Aus Liebe zu Geesche? Ja, eine andere Erklärung gab es nicht.
    Marinus stand nun auf dem Strandübergang und blickte auf das Meer. Aber was spielte das noch für eine Rolle? Er würde sowieso mit Geesche aufs Festland gehen müssen. Auf Sylt konnte sie nicht mehr leben. Dr. Pollacsek ahnte vermutlich nicht, dass er Marinus sogar einen Gefallen getan hatte. Schon an diesem Morgen hätte es den ersten Konflikt für ihn gegeben. Wie hätte er das Gefängnis auskundschaften können, ohne seine Arbeit zu vernachlässigen?
    Er warf einen Blick zum Haus seines Bruders, das bereits von der Sonne beschienen wurde und aussah wie ein Ort des Friedens. Gern hätte Marinus die Freiheit und Unabhängigkeit besessen, es niemals wieder zu betreten. Aber nun war er auf Arndts Geld angewiesen. In Lebenslagen wie dieser warMarinus es wieder: der Bankert eines Dienstmädchens, der um die Almosen des ehelichen Sohnes bitten musste. Das war schlimm genug. Am allerschlimmsten war, dass er Arndts Schuld hinnehmen musste, ohne sie wiedergutmachen zu können. Das Geld, das er Freda Boyken gegeben hatte, würde eher für Verwirrung gesorgt haben als für Wiedergutmachung. Dass er auch deswegen wieder ins Haus seines Bruders ging, weil er ihn nach wie vor liebte, gestand er sich an diesem Tag nicht ein.
    Im Garten gab es bereits Leben. Marinus sah Elisa über den Rasen schlendern, dann erkannte er Okko, den Gärtner. Er verabschiedete sich von einem Mann, der das Grundstück nicht durch das Eingangstor verließ, sondern über den Steinwall sprang und sich Richtung Strand davonmachte. Dann sah er Hanna auf das Haus zu gehumpelt kommen. Marinus konnte den Blick nicht von ihr nehmen. Ja, an dieser Tochter wäre Katerina wohl zerbrochen.
    Ärgerlich über diese Feststellung machte er sich an den Abstieg zum Strand. Soweit kam es noch, dass er Verständnis für Arndt aufbrachte! Aber trotzdem beschäftigte ihn, während er den Blick nicht vom Horizont nahm, die Frage, wie sein Bruder es in den vergangenen sechzehn Jahren ertragen hatte, dieses Mädchen aufwachsen zu sehen, das sein Fleisch und Blut war.
    Er sah dem Mann nach, der sich von Okko verabschiedet hatte und nun Richtung Wenningstedt lief. Dann ließ er sich am Fuß der Düne nieder und versuchte die Ruhe zu finden, die er für diesen Tag brauchte. Er würde länger sein als alle anderen Tage vorher. Geesche hatte ihm erzählt, dass sie immer zum Meer ging, wenn etwas sie sehr beschäftigte. Und nun konnte er es nachspüren, diese Kraft der heranrollenden Wellen, die seine eigene Kraft stärkte, die Stille in der tosenden Brandung, die in ihm eine wunderbare Ruhe erzeugte, der Wind auf seiner Haut, der die Gedanken kühlte, der die Sorge, dass in derkommenden Nacht etwas schiefgehen konnte, mitnahm und die Angst zurückließ, dass Geesche sich von ihm nicht helfen lassen wollte. Vielleicht wartete sie auf Dr. Nissens Unterstützung?
    Als er sich erhob, konnten zwei, aber auch drei Stunden vergangen sein, möglicherweise auch nur wenige Minuten. Er wusste es nicht. Die Sonne war höher gestiegen, es war wärmer geworden, er war am Strand nicht mehr allein. Die Badewärter waren mittlerweile erschienen und bereiteten sich auf den Tag vor. Sie hängten frische Handtücher an die Badekarren und öffneten deren Türen, als wollten sie, dass sie sich mit Wind füllten.
    Marinus ging gemächlich zurück. Vor dem Tor des

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