Hebamme von Sylt
bereits war. Die Worte wollten ihm einfach nicht über die Lippen kommen.
»Vertrinkst du hier mein Geld?«, fragte Graf Arndt von Zederlitz.
Marinus starrte ihn lange an, ehe er antworten konnte. »Was machst du hier? Hast du mich gesucht?«
Arndt schüttelte den Kopf. Dann rief er der Serviererin eine Bestellung zu, die ihm kurz darauf ein Bier vorsetzte.
Arndt zog seine Rechte unter dem Tisch hervor, die er bis dahin dort verborgen gehalten hatte. Sie war voller Blut. »Bringen Sie mir bitte etwas, womit ich meine Hand verbinden kann«, bat er die junge Frau.
Sie betrachtete die Wunde erschrocken. »Soll ich eine Kräuterfrau holen?«
Aber Arndt wehrte ab. »Es ist nur ein kleiner Schnitt. Ich habe mich an der Deichsel verletzt.« Er bedachte Marinus mit einem schiefen Lächeln. »Wahrscheinlich hätte ich doch besser den Kutscher gebeten, mich zu fahren.«
Die Serviererin verstand und kam kurz darauf mit einem Stück Leinentuch zurück, das sie ihm um die Hand band.
»Setzen Sie es nachher auf die Rechnung«, sagte Graf Arndt.
»Sehr wohl, Herr Graf«, gab die Serviererin zurück, die Arndt augenscheinlich erkannt hatte.
Bis sie mit dem Verbinden fertig war, hatte Arndt geschwiegen und seinen Bruder betrachtet, der in sein Glas starrte und verzweifelt versuchte, aus dem Tal seiner Trostlosigkeit herauszukriechen, um noch ein paar wichtige Worte zu sprechen, bevor er sich wieder zurückfallen lassen und nichts dagegen unternehmen würde, in diesem Tal zu versinken.
»Warum kommst du nicht nach Hause?«, fragte Arndt.
Marinus spuckte ein Lachen aus. »Nach Hause? Wo ist das? Bei dir? Ganz bestimmt nicht!«
»Was ist passiert? Wo ist Geesche Jensen? Ist dein Plan gescheitert?«
Marinus starrte seinen Bruder an, als überlegte er, ob er ihn schlagen oder anspucken sollte. »Willst du von mir erfahren, ob sie tot ist? Hauke Bendix kann dir ja nicht mehr sagen, ob er deinen Auftrag ausgeführt hat. Vielleicht hat er’s noch geschafft, bevor er starb. Dann hast du Glück. Das Collier, das er dafür bekommen hat, befindet sich wieder in KaterinasSchmuckschatulle. Du bist wirklich ein Glückspilz! Dir gelingt einfach alles.«
Arndt starrte ihn an. »Du glaubst …« Er brach ab, als wollte er erst seine Stimme unter Kontrolle bringen, die schrill begonnen hatte, wie es bei ihm sonst nicht vorkam. Als er weitersprach, klang sie wieder so dunkel und ruhig, wie Marinus sie kannte. »Das Collier ist gestohlen worden! Du warst doch heute Nachmittag dabei, als es zurückgebracht wurde. Hauke Bendix hatte seinen Bruder besucht und dabei die Gelegenheit genutzt, Katerina den Schmuck zu stehlen.«
Marinus schüttelte den Kopf, aber er fühlte sich außerstande, auf seiner Ansicht zu beharren und Arndt zu beweisen, dass er ein Mann war, der einen anderen zum Mord anstiftete. Wenn diese Begegnung mit seinem Bruder zu erwarten gewesen wäre, hätte er nicht so viel Bier getrunken.
»Du hattest Angst, dass Geesche am Ende doch verrät, woher sie das viele Geld hat«, brachte er mühsam über die Lippen.
Arndt nickte. »Natürlich hatte ich Angst davor. Auch deswegen war ich damit einverstanden, dass du sie aus dem Gefängnis holst.« Er sah Marinus so lange an, bis der unter seinem Blick zusammenschrumpfte. »Traust du mir das wirklich zu?«
Marinus wollte nicht so klein werden, wie er sich oft in der Gegenwart seines Bruders gefühlt hatte. »Wer sein eigen Fleisch und Blut verrät …«
»Pscht!« Arndt sah sich um, schien dann aber beruhigt zu sein, weil niemand ihrem Gespräch Aufmerksamkeit schenkte. »Trotzdem bin ich niemand, der einen Mord in Auftrag gibt.« Und in der gebotenen Lautstärke, mit dem gebotenen Duktus fuhr er fort: »Nun sag schon, wo Geesche Jensen ist.«
»Ich weiß es nicht. Als ich in die Hütte kam, war sie weg. Entweder hat Hauke Bendix sie vertrieben oder umgebracht.«
Arndt sah ihn so erschrocken an, dass Marinus so etwas wie Wärme in seinem Innern fühlte, die seiner Erstarrung erstaunlichguttat. »Weißt du etwa, wie Hauke Bendix zu Tode gekommen ist?«
Marinus überlegte nicht lange, dann schüttelte er den Kopf. So weit hatte sich seine Erstarrung noch nicht gelöst, dass er Arndt die Wahrheit anvertrauen konnte. »Warum bist du hier? Ich habe noch nie erlebt, dass du in einer Schenke Zerstreuung suchst.«
Arndt seufzte. »Katerina hat Migräne. Schlimmer als sonst. Sie will, dass ich Dr. Nissen hole.«
Marinus sah sich um. »Der ist nicht hier.«
»Ich weiß. Ich will
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