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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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daran, dass sie seine Schwester wirklich gern hatte und auch nicht, dass Hanna auf Geesches Zuneigung vertraute. Aber er glaubte daran, dass Geesches Bemühungen um Hanna echt waren. Allerdings vermutete er auch, dass Hanna darin eine Schwäche erkannte, die sie sich zunutze machte. Hanna konnte gnadenlos sein, wenn sie sich einem Menschen überlegen fühlte.
    Ebbo ließ sich auf einen Stein sinken, riss einen Halm aus dem Gras, das ihn umgab, und kaute darauf herum. Nein, Freda würde nichts Gutes daran finden, wenn Hanna dafür sorgte, dass er Elisa treffen konnte. Trotzdem hätte er ihr gern gesagt, dass seine Schwester ein persönliches Risiko auf sich nahm, um zwei liebenden Menschen zu helfen. Und das ohne einen eigenen Vorteil! Freda wäre glücklich darüber, wenn … ja, wenn Hanna nicht gerade bei etwas helfen würde, was zu einem großen Unglück führen konnte.
    Ebbo lauschte eine Weile in den Wind, aber Hannas Schritte waren noch nicht zu hören. Wo sie nur blieb? Manchmal schien es, als dauerte ein Weg, den Hanna in der Dunkelheit zurücklegte, doppelt so lange wie derselbe Weg bei Helligkeit. Und Ebbo ahnte, warum das so war. Bei Dunkelheit konnte Hanna in fremde Fenster schauen, in fremde Gärten schleichen und Gespräche belauschen, die sie nichts angingen. Ebbo hatte oft Angst, dass irgendwann jemand entdeckte, auf welche Weise Hanna sich für die Geringschätzung, die sie erfuhr, schadlos hielt. Sie konnte nicht fliehen, wenn sie ertappt wurde! Und selbst wenn sie es schaffte wegzulaufen, würde man sie dennoch erkennen. Wer Hanna nicht sah, der hörte ihre Schritte! So wie jetzt! Tohk-tik, tohk-tik! So humpelte nur Hanna Boyken.
    Ebbo warf den Grashalm zur Seite, erhob sich und sah Hanna entgegen. Ihr Gesicht erkannte er erst, als sie dicht vor ihm stand, so dunkel war es mittlerweile geworden. Nervös schob er die breiten Hosenträger auf den Schultern zurecht und fuhr sich durch die kurzen blonden Locken. Seine hellen Augen schienen in seiner Sorge um Hanna noch heller geworden zu sein, die Hände, die nach Hanna griffen, wirkten noch breiter als bei Helligkeit. »Warum kommst du so spät?«
    Hanna schüttelte seine Hände ab. »Es gab viel zu tun.«
    »Das glaube ich nicht«, entgegnete Ebbo. »Im Hause des Grafen wird früh zu Abend gegessen. Du musst schon vor einer guten Stunde entlassen worden sein. Wenn nicht eher!«
    »Meine Hüfte tat mir weh. Ich habe unterwegs Krämpfe bekommen. Da dauert der Weg eben länger.«
    Ebbo betrachtete seine Schwester kopfschüttelnd. »Du bist wieder herumgeschlichen!«, stellte er fest. »Warum tust du das? Du wirst noch in Teufels Küche landen!«
    Hannas kleine Augen wurden noch kleiner, aus ihrem schmalen Gesicht stach die Nase noch spitzer hervor. Wie immer, wenn sie etwas bewegte, schienen ihre Augen enger zusammenzurücken, so, als würden sie von der steilen Stirnfalteüber der Nasenwurzel miteinander verbunden. Ebbo kam es manchmal so vor, als hätte die Natur keine andere Möglichkeit gehabt, als Hannas Augen so dicht zusammenzurücken, weil ihr Gesicht einfach zu schmal war für schöne Proportionen. Runde Wangen hätten ihm und auch ihrem Blick vermutlich die Schärfe, das ewig Fragende, Misstrauische, Gekränkte genommen, aber in der Trift gab es kein einziges Haus, in dem junge Mädchen lebten, die so wohlgenährt waren, dass sie runde Wangen hatten. Und wer wie Hanna Tag für Tag Kraft aufwenden musste, um vom Morgen zum Abend zu kommen, der hatte sowieso keine Chance, runde Wangen, große, strahlende Augen und ein Lachen zu haben so wie Elisa.
    Der Ärger, der in Hannas Augen stand, wich plötzlich einem anderen Gefühl. Die Stirnfalte glättete sich, die Augen rückten prompt weiter auseinander, aber auch das intensive Gefühl des Triumphes konnte Hannas Gesicht nicht zum Leuchten bringen. Das Lachen, mit dem sie unter ihre Schürze griff, schaffte es nicht einmal, ihr Gesicht hübscher zu machen. Ebbo hatte irgendwann einsehen müssen, dass Hanna zu den wenigen Menschen gehörte, die hässlicher wurden, wenn sie lachten.
    Triumphierend hielt sie etwas in die Höhe, was Ebbo zunächst nicht erkennen konnte. »Das hat die Comtesse mir zum Geburtstag geschenkt.« Sie hielt das Runde, Weiße an ihre Nase und schnupperte. »Wie das duftet!«
    Nun hielt sie es auch vor Ebbos Gesicht, und er begriff, dass es ein Stück Seife war. Nicht die bräunliche Kernseife, die seine Mutter aus Rindertalg und Natronlauge kochte, sondern ein parfümiertes

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