Hebamme von Sylt
Arndt. »Ein angenehmer Zufall, dass er sich auf Sylt aufhält. Er wird beurteilen können, ob du stark genug für einen Besuch am Strand bist.«
Gräfin Katerina nippte an ihrem Kaffee. »Ein Skandal, dass diese Insel noch immer ohne Arzt ist. Dabei werden im Sommer mehr Feriengäste erwartet als zuvor. Der Fremdenverkehr wächst.«
»Wenn das wirklich so sein sollte, wird sich bald ein Arzt hier niederlassen. Vielleicht Dr. Nissen selbst? Ich habe gehört, dass er vor wenigen Wochen geschieden wurde. Seine Arbeit in der Privatklinik seines Schwiegervaters dürfte damit beendet sein.«
Katerina war entsetzt. »Ein geschiedener Arzt soll mich untersuchen?«
Arndt drückte kurz ihre Hand. »Ich kenne den Grund für die Scheidung nicht. Vielleicht ist Dr. Nissen unschuldig daran.«
Katerina seufzte. »Wenn er der einzige Arzt auf der Insel ist … was bleibt mir anderes übrig?«
»Iss etwas, Liebes. Du musst bei Kräften bleiben. Du weißt ja, das Reizklima! Es zehrt.«
Katerina nickte, machte aber keine Anstalten, zum Brotkorb zu greifen. Wieder nippte sie nur an ihrem Kaffee. »Warum kommt Elisa nicht herunter?«
»Ich habe ihr geraten, im Bett zu bleiben und das Frühstück in ihrem Zimmer einzunehmen. Sie will unbedingt schon heute Nachmittag einen Spaziergang machen. Dafür sollte sie Kraft schöpfen.«
Katerina nickte, obwohl sie antwortete: »Elisa ist von geradezuunpassend starker Gesundheit. Wir müssen darauf achten, dass sie keinen zu robusten Eindruck macht. Männer mögen zarte Frauen.« Nun griff sie doch in den Brotkorb, nahm eine Scheibe Weißbrot heraus und betrachtete sie misstrauisch, ehe sie sich ein Stück in den Mund schob und den Rest zerkrümelte. »Wir müssen uns überlegen, wie wir einen passenden Ehemann für Elisa finden, sie ist nun sechzehn.« Katerina warf ihrem Mann einen scharfen Blick zu, der es vorzog, nicht aufzusehen. »Leider hast du ja verhindert, dass ich sie mit dem jungen Baron bekanntmachen konnte.«
Graf Arndt verzichtete auf eine Entgegnung, blickte nicht einmal auf. So sah er auch nicht, dass seine Frau missmutig die Stirn runzelte.
»Deine Mutter war auch sehr verärgert darüber«, fuhr Katerina fort, die sonst eher der gegensätzlichen Meinung ihrer Schwiegermutter zugeneigt war. Aber sie wusste, wenn ihr Mann sowohl seine Ehefrau als auch seine Mutter gegen sich hatte, würde es leicht sein, ihn in ihrem Sinne zu beeinflussen. »Ich habe gehört, Königin Elisabeth wird heute auf Sylt erwartet«, sagte sie nun und lächelte, als Graf Arndt erleichtert auf dieses Gesprächsthema einging, das er für unverfänglich hielt.
»Sie wird in der Villa Roth absteigen«, antwortete er eifrig.
Katerina nickte. »Ich weiß. Frau Roth hat mich begrüßt, als wir vor dem Conversationshaus auf die Droschke warten mussten.«
Graf Arndt war noch immer arglos und nach wie vor erfreut darüber, dass das Gespräch über eine mögliche Vermählung seiner Tochter vom Tisch war. »Eine nette Frau.«
»Sie hat mir erzählt, dass die Königin einen jungen Verwandten in ihrem Gefolge hat. Alexander von Nassau-Weilburg. Die Mutter der Königin war eine geborene Nassau-Weilburg.«
Graf Arndt begriff, dass er sich zu früh gefreut hatte. »Du meinst …?«
Katerina nickte, noch ehe er zu Ende gesprochen hatte. »Wirsollten dafür sorgen, dass die beiden sich kennenlernen. Du könntest heute Nachmittag zum Conversationshaus gehen, um die Königin auf Sylt willkommen zu heißen. Sie wird uns dann bald in die Villa Roth einladen. Schließlich sind wir neben den Bauer-Breitenfelds die einzige adelige Familie auf Sylt.«
Graf Arndt nickte. »Natürlich, Liebes!«
Die Gräfin war zufrieden. Sie griff nach einer weiteren Scheibe Brot und rief die Haushälterin herein. »Wer hat dieses Brot gebacken? Es ist erstaunlich gut.«
Owena Radke errötete vor Freude. »Mein Mann! Er ist gelernter Bäcker. Wir hoffen, dass wir bald einen eigenen Laden in Westerland eröffnen können.«
»Wenn du einen Kredit brauchst, wende dich an meinen Gemahl.« Sie lächelte Arndt an, der erstaunt aufblickte und seine Frau ansah, als hätte er sie bei einer Unschicklichkeit ertappt. »Er wird deinem Mann gern helfen«, ergänzte sie.
Während Graf Arndt die Worte seiner Frau bekräftigte und die Haushälterin ihren Dank hervorstotterte, pochte es an der Eingangstür. Katerina griff sich erneut an den Kopf. »Die Hellhörigkeit in diesem Haus!«, stöhnte sie.
Wie immer, wenn ihre Mittelfinger die
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