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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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Respekt zu schenken. Ja, sie war genauso dankbar wie ihr Mann.
    »Ich habe dieses Mädchen direkt nach seiner Geburt im Arm gehalten.«
    Gräfin Katerina sah ihren Mann entgeistert an. »Du hast das Kind dieser Fischersfrau …?«
    Graf Arndt antwortete schnell: »Ja! Die Kleine tat mir leid mit der verkrüppelten Hüfte und dem verkürzten Bein. Ich habe ihr damals versprochen, ihr zu helfen, so gut ich kann.« Er sah Katerina so lange an, bis sie endlich nickte. »Aus Dankbarkeit!«
     
    Die Ähnlichkeit zwischen Graf Arndt und seinem Halbbruder war unverkennbar, die Unterschiede waren jedoch genauso hervorstechend. Sie waren von gleicher Größe, hatten beide das dunkle, leicht gewellte Haar ihres Vaters, seine hellen Augen und das Kinngrübchen geerbt und bewegten sich auch so wie er. In aufrechter Haltung, mit kleinen, gemessenen Schritten, immer leicht vorgebeugt, als drängte es sie, zu ihrem Ziel zu kommen, waren aber nie eilig, denn Eile war ihnen beiden verhasst.
    Graf Arndt hatte das schmale Gesicht seiner Mutter geerbt, die eng zusammenstehenden kleinen Augen, jedoch das Glück, dass sein Gesicht besser proportioniert war als das seiner Mutter, dass seine Augen sanft und freundlich waren im Gegensatz zu denen seiner Mutter und Großzügigkeit und Toleranz aus ihnen sprachen, während seine Mutter voller Misstrauen und Berechnung war. Marinus’ Mutter war wesentlich hübscher gewesen als die des Grafen. Der Sohn hatte ihre hohen Wangenknochen geerbt, das runde Gesicht, die feine Nase und ihr vollen Lippen.
    Sie gingen auf die ersten Häuser Westerlands zu, der Graf in einem förmlichen schwarzen Anzug, mit weißem Hemd unddunkler Krawatte, Marinus Rodenberg in bequemen Drillichhosen, einem karierten Flanellhemd und einer Lederweste darüber. An den Füßen trug er klobige Schnürstiefel, die sich seltsam ausnahmen neben den schmalen Stiefeletten des Grafen.
    Katerina hatte ihren Schwager angefleht, sich nach dem Essen umzuziehen. »Was soll die Königin von dir denken!«
    Als sie hörte, dass Marinus in Dr. Pollacseks Büro gehen wollte, nachdem er einen neugierigen Blick auf Königin Elisabeth geworfen hatte, war ihr Eifer noch größer geworden. »In einem Kontor trägt man keine Arbeitskleidung. Ich habe Dr. Pollacsek noch nie anders als in einem schwarzen Anzug gesehen.«
    »Ich werde nach dem Besuch bei ihm wieder auf die Bahnstrecke gehen«, hatte Marinus ihr ein ums andere Mal erklärt. Aber erst als er versprochen hatte, sich vor dem Conversationshaus von seinem Bruder fernzuhalten und weder der Königin noch ihrem Gefolge zu erkennen zu geben, dass er zur Familie von Zederlitz gehörte, hatte sie schließlich nachgegeben. Ihre letzte Ermahnung war gewesen: »Wir haben eine heiratsfähige Tochter. Das ist eine sensible Zeit, Marinus, bis wir einen passenden Ehemann für sie gefunden haben. Ein einziger Fehler kann Elisa ihre Zukunft kosten.«
    Marinus hatte es vorgezogen, darauf nicht zu antworten. Aber er würde sein Versprechen wahrmachen und ein paar Schritte zurücktreten, sobald die Inselbahn mit der Königin in Sicht kam.
    »Nur ein Blick«, sagte er lachend zu seinem Bruder. »Eine Königin sieht man schließlich nicht alle Tage!«
    Das Gedränge vor dem Conversationshaus war nicht größer als sonst, das konnte nur bedeuten, dass die Sylter Bevölkerung tatsächlich nichts von der Ankunft einer Königin wusste. Vermutlich war nicht einmal etwas von ihrem Inkognito bekannt geworden, sonst hätten sich sicherlich auch Schaulustige eingefunden, die die Gräfin Vrancea sehen wollten.
    Dass eine hochgestellte Persönlichkeit auf Sylt erwartet wurde, war nur daran zu erkennen, dass der Inselvogt persönlich vor dem Conversationshaus stand. Vielleicht erwartete er die Gräfin Vrancea, die er für würdig befunden hatte, persönlich von der ersten Person Sylts empfangen zu werden. Wenn er aber der Ankunft der rumänischen Königin entgegensah, dann war bewiesen, dass die Bemühungen Ihrer Majestät, inkognito nach Sylt zu reisen, vergeblich gewesen waren.
    Heye Buuß war ein aufgeblasener Wichtigtuer, den Graf Arndt nicht leiden konnte, den er deswegen geflissentlich übersah. So weit entfernt wie möglich blieb er mit Marinus stehen. Der Inselvogt bemerkte sie nicht, weil er mit drei Männern sprach, die anscheinend ein Gesuch an ihn richteten, denn alle drei sprachen beschwörend auf ihn ein, während er unbeeindruckt dastand, die Arme vor der Brust verschränkt, so hoch aufgerichtet wie

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