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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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möglich, damit er auf die drei hinabblicken konnte, und mit einer Miene, die jedem Bittsteller das Bitten verschlug. Vorsichtshalber drehte Graf Arndt ihm den Rücken zu, damit Heye Buuß nicht auf sie aufmerksam wurde und sich am Ende genötigt sah, dem Grafen die Zeit bis zur Ankunft der Inselbahn zu vertreiben.
    »Merkwürdig«, sagte er, »dass Dr. Pollacsek als Kurdirektor nicht erschienen ist, um die Königin zu empfangen.«
    Marinus nickte nachdenklich. »Er hat gesundheitliche Schwierigkeiten, wie mir scheint. In letzter Zeit zieht er sich zurück. Ich halte es für möglich, dass er von dem Besuch der Königin gar nichts weiß.« Er sah seinen Bruder fragend an. »Wie hast du eigentlich davon erfahren?«
    Graf Arndt zuckte mit den Schultern. »Katerina hat es mir erzählt. Sie weiß es von Frau Roth.«
    Marinus grinste. »Die Roths sind anscheinend nicht so verschwiegen, wie die Königin erwartet. Sogar ich habe von dem hohen Besuch schon gehört. Aber nicht von Katerina!«
    Arndt sah seinen Bruder überrascht an, und Marinus wurdeprompt verlegen, als wollte er seine Worte zurücknehmen. »Im Haus der Hebamme. Ich habe Geesche gestern einen Besuch abgestattet.«
    Arndt sah plötzlich missmutig aus. »Du hast wirklich keine Zeit vergeudet! Und sie wusste von dem Besuch der Königin?«
    »Nein, aber ihr Feriengast. Dieser Hamburger Arzt, der sich um Katerinas Gesundheit kümmern soll. Als ich ihn bei Geesche antraf, kam er geradewegs aus der Villa Roth.«
    Mittlerweile waren sie vor den Stufen des Conversationshauses angekommen, und da die Inselbahn noch nicht in Sicht war, sah Marinus keinen Grund, schon jetzt das Versprechen, das er seiner Schwägerin gegeben hatte, einzulösen. Er blieb neben Graf Arndt stehen und tat nichts, was aus der Vertraulichkeit, die zwischen ihnen herrschte, einen Hehl machte.
    Arndt sah nachdenklich aus. »Ich hätte erwartet, dass ein so wohlhabender Mann wie Dr. Nissen im ›Hotel Stadt Hamburg‹ Quartier nimmt. Oder mindestens im ›Dünenhof‹ oder im ›Strandhotel‹.«
    »Wo es nicht wesentlich komfortabler ist als in Geesche Jensens Haus«, ergänzte Marinus.
    »Aber er wäre unter seinesgleichen.«
    »Das scheint ihm nicht so wichtig zu sein wie der Kontakt zu Geesche.«
    Arndt blickte ihn überrascht an. »Du hast einen Rivalen?«
    Marinus sah das Grinsen auf seinem Gesicht und war ihm dankbar, als er es unterdrückte. »Er macht ihr den Hof«, sagte er mit gepresster Stimme.
    »Wie reagiert sie darauf?«, fragte Graf Arndt, der sich nicht anmerken ließ, dass ihn der Liebeskummer seines Halbbruders amüsierte, den er längst für einen eingefleischten Junggesellen gehalten hatte.
    »Ich glaube nicht, dass er eine Chance hat.«
    »Na, also!«
    »Was hilft das, wenn ich auch keine habe?«
    Arndt sah ihn ernst an. »Warum nicht?«
    Marinus zuckte mit den Schultern. »Weil ich der Sohn eines Grafen bin. Sie hält sich selbst für unstandesgemäß. Dass meine Mutter ein Dienstmädchen war, will sie nicht hören.«
    Die Überraschung des Grafen wich tiefer Nachdenklichkeit. »Bist du sicher, dass dies der wahre Grund ist?«
    Nun war die Überraschung auf Marinus’ Seite. »Kannst du dir einen anderen Grund vorstellen? Oder meinst du … sie mag mich nicht?«
    »Das entzieht sich meiner Beurteilung«, antwortete der Graf steif und schien weiter nichts zu dieser Angelegenheit sagen zu wollen.
    »Weißt du etwas, was ich nicht weiß?«, drängte Marinus.
    Aber Graf Arndt schüttelte nur den Kopf. Er wies zu einem Mann, der zum Conversationshaus schlenderte, als wisse er nichts von der Ankunft eines hohen Gastes, als käme er rein zufällig vorbei und wolle das Übermaß an Zeit, die ihm momentan zur Verfügung stand, mit einer netten Unterhaltung und dem Anblick der neuen Inselbahn füllen. »Wenn man vom Teufel spricht …«, murmelte er, und Marinus hatte den Verdacht, dass Arndt froh war, durch Dr. Nissen in ihrem Gespräch gestört zu werden.
    Der Arzt machte keinen Hehl aus seiner Neugier, was ihn Marinus ein Stück sympathischer erscheinen ließ als am Tag zuvor in Geesches Haus. »Sie wissen also auch von der Ankunft der Königin? Ich bin auf dem Weg zu Dr. Pollacsek. Da dachte ich, es müsste nett sein, einmal eine Königin aus der Nähe zu sehen.« Er lachte viel lauter und vergnügter, als angebracht war, wodurch er sich Marinus’ kurz aufgeflackerte Sympathie gleich wieder verscherzte.
    »Haben Sie auch einen Termin bei Dr. Pollacsek?«, fragte er, weil er

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