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Hebamme von Sylt

Hebamme von Sylt

Titel: Hebamme von Sylt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Pauly
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dass sie darauf verzichtete, über diese schreckliche Erinnerung zu sprechen.
    An den Erzählungen über ihre Krönung dagegen war Elisa sehr interessiert. Im Mai 1866 hatte Fürst Karl von Hohenzollern seinen Einzug in Bukarest gehalten, elf Jahre später, ebenfalls im Mai war die Unabhängigkeitserklärung Rumäniens erfolgt, 1881, auch diesmal im Mai, wurde der erste König von Rumänien gekrönt: König Carol I.! An seiner Seite Königin Elisabeth, die nunmehr seit sieben Jahren die Königin von Rumänien war.
    Elisa wünschte sich, etwas von den Kleidern zu erfahren, die während der Krönungszeremonie getragen worden waren, über die hochgestellten Persönlichkeiten, die anwesend gewesen waren, und über Elisabeths Gefühle, als sie sich Königin nennen durfte. Doch sie wurde enttäuscht – und war im nächsten Moment froh darüber. Wie hätte Ebbo diese Fragen aufgenommen? Seine Mutter besaß zwei Kleider, das erste davon hatte sie erhalten, als sie erwachsen geworden war, und würde vermutlich darin begraben werden. Und er hatte ihr sanfte Vorwürfe gemacht, weil sie Hanna mit dem weißen Band gezeigt hatte, dass es eine Verschwendung gab, die in der Familie eines Sylter Fischers keinen Platz hatte.
    Königin Elisabeth, die bis dahin sehr emotional erzählt hatte, wurde nun sachlich und ernst. »Dem Staatsgründer Alexandru Cuza war es nicht gelungen, die notwendigen Reformen durchzusetzen, er wurde deshalb zur Abdankung gezwungen. Zunächst sollte der Bruder des belgischen Königs zum Fürsten ernannt werden. Der aber verzichtete, und so fiel die Wahl nach einer Volksabstimmung auf meinen Gemahl.«
    »Und die Krönung?«, erinnerte Elisa an ihre eigentliche Frage und schob den Gedanken an Ebbo beiseite.
    Aber die Königin lächelte sie verständnisvoll an. »Der Krönungszugwar wunderbar«, sagt sie schlicht. »Mein Wagen war à la Daumont geschirrt, er wurde von acht Rappen gezogen, alle mit Federschmuck gezäumt.«
    Elisa runzelte die Stirn. »À la Daumont? Was heißt das?«
    Diesmal antwortete Alexander von Nassau-Weilburg, dem es zu gefallen schien, der jungen Comtesse etwas zu erklären: »Bei dieser Anspannung wird der Wagen nicht vom Kutschbock aus gelenkt, sondern durch berittene Kutscher. Sie sitzen auf den linken Tieren und führen die rechten als Handpferde.«
    Königin Elisabeth nickte ihm lächelnd zu. »Auf dem Kutschersitz stand ein großer Blumenkorb, auf dem Dienerstand eine Blumenkrone, die Tritte waren mit Blumen besetzt. Zu jeder Seite paradierten vier Lakaien zu Fuß, und voran ritten Offiziere auf Pferden, die mit Federbüschen geschmückt waren.« Sie lehnte sich zurück, blickte aufs Meer hinaus, sah aber weder das Spiel der Wellen noch das Funkeln der Sonne auf dem Wasser. Sie war ganz in ihren Erinnerungen gefangen. »Vor dem Haupttor der Kirche war eine Tribüne errichtet worden, dort wurde die kirchliche Zeremonie abgehalten. Vier Generäle trugen die beiden Kronen aus dem Inneren der Kirche ins Königszelt, wo sie dem König und mir aufgesetzt wurden, nachdem sie geweiht worden waren. Zum Schluss donnerten Kanonensalven über Bukarest. Danach ging es in einem fast unübersehbaren Zug zum Schloss, wo die Flügeltüren des Thronsaals bereits weit geöffnet waren. Dort wartete der Thronsessel auf uns.« Die Königin endete erschöpft. Von einem Augenblick zum andern schien ihre Energie nachzulassen, und Elisa hatte den Verdacht, dass die Kraft, die sie bisher gezeigt hatte, gespielt gewesen war.
    Alexander von Nassau-Weilburg war es, der diese Schwäche anscheinend kannte und die Erzählung für sie beendete: »Leider fühlte sich die Königin auch während der Kronfeier nicht wohl«, berichtete er. »Dennoch hat sie den Tag leidlich überstanden.Wenn Ihre Majestät will, ist sie stärker als alle anderen zusammen.«
    Die Königin seufzte. »Ja, die Gesundheit … Aber darf ich mich beklagen? Gesund war ich nie, doch es ging mir erheblich besser als meinem Bruder Otto. Schweres Leid musste ich auch ertragen, aber immerhin war dieses Unglück nur möglich, weil ich vorher großes Glück erfahren durfte.«
    Nun wussten alle, dass sie vom Tod ihrer Tochter sprach, und nicht einmal Alexander von Nassau-Weilburg machte den Versuch einer lindernden Geste oder eines tröstenden Wortes. Elisa kam es so vor, als hätte er es schon oft versucht, aber nie die richtigen Worte gefunden und war deshalb mutlos geworden. Dass er nicht fähig war, der Königin in dieser kurzen Melancholie zu

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