Hebt die Titanic
Sie ihm, ich hätte ein Geschenk für ihn. Haben uns prächtig amüsiert. Wünschte, ihr wärt alle hier. Gezeichnet Sandecker.‹«
»Der Admiral drückt sich da ziemlich rätselhaft aus«, sagte der Präsident.
»Was will er uns nun eigentlich mitteilen?« Kemper sah ihn ernst an »Die Russen haben anscheinend während der Windstille im Sturmzentrum die Titanic geentert.«
»Anscheinend?« fragte der Präsident scharf.
»Gold und Silber hätt’ ich gern!« zitierte Nicholson freudig erregt. »Das kann nur bedeuten, daß sie die beiden russischen Spione mit den Kodenamen Silber und Gold gefaßt haben.«
»Und Ihr Geschenk, Vetter Warren«, sagte Collins grinsend, »das müßte eigentlich Hauptmann Andre Prevlov sein.«
»Ich muß so schnell wie möglich an Bord des Wracks«, sagte Nicholson zu Kemper. »Können Sie ein Flugzeug für mich bereitstellen, Admiral?«
Kemper griff schon nach dem Telefon. »In dreißig Minuten können Sie an Bord eines Marineflugzeugs starten, das Sie auf dem Flugzeugträger Beecher’s Island absetzen wird. Von dort sind Sie per Hubschrauber sehr bald auf der Titanic.« Der Präsident trat an eines der großen Fenster. Die Sonne war schon aufgegangen, und er beobachtete das Glitzern ihrer Strahlen auf dem gemächlich dahinfließenden Potomac. Nach all den Aufregungen der vergangenen Wochen und Tage spürte der Präsident eine matte Zufriedenheit – nicht mehr.
Denn noch war alles in der Schwebe.
71
Dana lehnte an der Vorderreling auf der Kommandobrücke der Titanic und genoß mit geschlossenen Augen die Meeresbrise, die auf ihrer Haut prickelte und ihr blondes Haar zerzauste. Sie fühlte sich so entspannt und frei wie selten zuvor. Inzwischen wußte sie, daß die Erlebnisse der vergangenen Tage ihr Wesen verändert hatten. Nach all dem Schrecklichen, was sie erduldet und erlebt hatte, sah sie sich selbst und die Welt mit anderen Augen an. Sie war eitel und selbstgefällig gewesen und hatte sicherlich in ihrer Ehe mit Gene viele Fehler begangen. Aber es war ihr auch klar, daß sie jetzt nicht mehr einfach in diese Ehe zurückkehren konnte. Sie würde sich von Gene scheiden lassen. Denn das Mädchen, das er einmal geliebt hatte, existierte einfach nicht mehr. Mit einem Gemisch aus Verwunderung und Freude erkannte sie ihre innere Verwandlung und akzeptierte sie. Die banale Phrase, die sie schon so oft gehört hatte, erschien ihr mit einem Male sinnvoll und wahr: Sie würde ein neues Leben anfangen.
»Ich möchte gern wissen, was du jetzt gerade denkst.« Sie öffnete die Augen und blickte in das frisch rasierte und lächelnde Gesicht von Dirk Pitt.
»Ich dachte gerade daran, wie sehr gerade die letzten Tage mich verändert haben«, gestand sie offen.
Er schaute in ihre Augen und las darin wieder jene Botschaft, die er schon einmal unter dramatischeren Umständen empfangen hatte. Aber Dirk Pitt – der Mann der Tat – verharrte in einer ihm selbst unerklärlichen Tatenlosigkeit. Eine Weile standen sie schweigend da und beobachteten die Schleppdampfer Wallace und Morse, die mit vereinten Kräften das zum Bug der Titanic führende Kabel spannten. Schleppmeister Bascom und seine Männer prüften die Halterungen des Schleppkabels und fetteten die Gleitringe ein. Bascom schaute einmal hoch und winkte ihnen zu.
»Wenn doch diese Reise nie enden würde«, flüsterte Dana, als sie zurückwinkten. »Es ist ein so faszinierend unwirkliches Erlebnis und doch so wunderbar.« Sie wandte sich ihm zu und legte in einer spontanen Geste der Zärtlichkeit ihre Hand auf seine. »Hab ich dir eigentlich schon dafür gedankt, daß du mir das Leben gerettet hast?«
In der Tiefe seiner seltsam meergrünen Augen schimmerte ein humorvolles Funkeln, als er antwortete: »Eigentlich habe ich dir nicht das Leben gerettet. Eine Kette von glücklichen Umständen hat das bewirkt. Aber ich hätte nichts dagegen, wenn du mir trotzdem deine Dankbarkeit zeigen würdest.«
Es kam ihr ganz selbstverständlich vor, daß sie die Arme um ihn schlang und sich an ihn schmiegte. »Dirk, Dirk, ich weiß nicht, was plötzlich über mich gekommen ist, aber –«
Er verschieß ihr den Mund mit Küssen. Viel später, als sie zusammen auf dem frisch bezogenen Bett einer der inzwischen gründlich gesäuberten Luxuskabinen lagen, sagte sie träumerisch: »Sich vorzustellen, in einem Bett zu liegen, das viele Jahrzehnte leer und verlassen am Meeresboden gelegen hat.«
»Nicht direkt«, widersprach er sanft. »Immerhin lag es
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