Hebt die Titanic
Gebilde von etwa ein Meter zwanzig langsam herabsinken. Voran sank ein Schwärm kleinerer Gegenstände, die wie Murmeln aussahen. Das Modell war plump und glatt, und die einzigen Details waren die Röhren der drei Schornsteine. Durch das Beobachtungsfenster konnte Sandecker ein deutliches Klicken hören, als der Bug des Modells gegen den Boden des Tanks prallte.
»Könnte ein Fehler in den Maßen des Modells nicht Ihre ganze Kalkulation über den Haufen werfen?« fragte Sandecker.
»Ja, ein Maßstabfehler würde sich bestimmt bemerkbar machen«, bestätigte Silverstein. »Aber wir haben in dieser Hinsicht sorgfältig gearbeitet, Admiral.«
Sandecker deutete auf das Modell. »Die Titanic hatte aber vier Schornsteine. Ich sehe nur drei.«
»Kurz vor dem endgültigen Versinken hat sich das Heck der Titanic aufgerichtet, bis das Schiff völlig lotrecht hing«, erklärte Silverstein. »Die Befestigungstrossen des vordersten Schornsteins haben diesen Druck nicht ausgehalten. Sie rissen, und der Schornstein kippte über die Steuerbordseite ab.«
Sandecker nickte anerkennend. »Alle Achtung, Doc. Jetzt kann ich an der sorgfältigen Vorbereitung Ihrer Experimente wirklich nicht mehr zweifeln.«
»Danke. Es hat mir Freude gemacht, meine Erfahrungen auf diesem Gebiet unter Beweis zu stellen.« Er wandte sich ab und gab dem Taucher ein Handzeichen mit nach oben gerichtetem Daumen. Der Mann befestigte das Modell an einer in die Höhe führenden Schnur. »Ich lasse jetzt den Versuch noch einmal durchführen und erkläre Ihnen dabei, wie wir zu unseren Schlußfolgerungen gekommen sind.«
»Erklären Sie mir zuerst einmal diese merkwürdigen Murmeln.«
»Sie verkörpern die Kessel«, sagte Silverstein. »Die Kessel?«
»Ja. Denn als das Heck der Titanic senkrecht in die Höhe wies, wurden die Kessel aus ihren Verankerungen gerissen und brachen durch die Schotte in Richtung des Bugs nach unten. Insgesamt waren es neunundzwanzig sehr massive Behälter: einige davon mehr als viereinhalb Meter im Durchmesser und sechs Meter lang.«
»Aber Ihre Nachbildungen versanken außerhalb des Modells.«
»Stimmt. Unsere Berechnungen ergaben, daß mindestens neunzehn Kessel den Bug durchschlugen und getrennt vom Rumpf in die Tiefe sanken.«
»Woher wissen Sie das so genau?«
»Weil sonst die gewaltige Ballastverschiebung von mittschiffs nach vorn die Titanic tatsächlich senkrecht nach unten gezogen hätte. Die Berichte der Überlebenden aus den Rettungsbooten stimmen jedoch in diesem einen Punkt überein, daß das Heck sich wieder etwas gesenkt hat, sobald das ohrenbetäubende Rumpeln und Donnern der durchbrechenden Kessel aufhörte. Für mich ein Beweis, daß die Titanic ihre Kessel gewissermaßen ausspie und sich nach Befreiung von dieser Überlastung am Bug wieder etwas aufrichtete und die von mir zuvor erwähnte Neigung von achtundsiebzig Grad erreichte.«
»Und die Kesselmodelle bestätigen diese Theorie?«
»Ganz genau.« Silverstein griff wieder nach dem Hörer des Haustelefons. »Du kannst anfangen, Owen.« Er legte den Hörer auf die Gabel. »Owen Dugan ist mein Assistent oben. Jetzt wird er das Modell direkt über der Lotlinie dort drüben im Tank ins Wasser setzen. Wir haben Löcher in den Bug gebohrt, die in etwa den Lecks entsprechen, wie sie der Eisberg und die Kessel geschlagen haben könnten. Während das Wasser dort eindringt, beginnt das Modell vornüber zu Boden zu sinken. Bei einer bestimmten Schrägneigung rollen die Murmeln zum Bug. Eine Sprungfeder öffnet eine Klappe, und die Kesselmodelle fallen heraus.«
Wie auf ein Stichwort kamen die Murmeln, herabgesunken dicht gefolgt von dem Schiffsmodell.
Es berührte etwa dreieinhalb Meter von der Lotlinie entfernt den Boden.
Der Taucher markierte die Stelle und hielt Daumen und Zeigefinger der rechten Hand als Zeichen für einen Zollbreit empor.
»Da sehen Sie es, Admiral. Bei einhundertzehn Versenkungen hat das Modell nie außerhalb eines Radius von vier Zoll den Boden berührt.«
Sandecker blickte mehrere Sekunden lang in den Tank und wandte sich dann Silverstein zu. »Wo sollen wir jetzt nach Ihrer Meinung suchen?«
»Unsere Physiker haben per Computer einige raffinierte Berechnungen angestellt«, sagte Silverstein. »Nach ihrer Schätzung könnte das Schiff etwa dreizehnhundert Meter südöstlich von dem Punkt liegen, wo die Sappho I das Kornett entdeckt hat. Aber das ist, wie gesagt, nur eine Schätzung.«
»Woher wollen Sie wissen, ob das Kornett nicht
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