Hebt die Titanic
vermittelte.
»Glücklicherweise liegt das Schiff ziemlich aufrecht mit einer leichten Neigung nach Backbord«, erklärte Dana. »So daß man leicht an das fast einhundert Meter lange Leck heran kann, das der Eisberg an der Steuerbordseite aufgerissen hat. Es soll mit einem Spezialmittel versiegelt werden, das bezeichnenderweise ›Feuchtstahl‹ genannt wird.«
Das nächste Dia glitt auf die Leinwand. Es zeigte einen Mann mit einem Klumpen in den Händen, der wie knetbares Plastikmaterial aussah.
»Das ist Dr. Amos Stanford, der Erfinder des Feuchtstahls«, erklärte Dana. »Das Material ist unter normalen atmosphärischen Bedingungen an der Erdoberfläche knetbar, wird aber nach neunzig Sekunden im Wasser stahlhart und verbindet sich mit Metallgegenständen wie beim Schweißen.«
Ein erstauntes Raunen folgte dieser Feststellung.
»Rings um das Wrack sind kugelförmige Aluminiumbehälter voller Feuchtstahl abgesenkt worden«, fuhr Dana fort. »Die Tauchboote können sich an diese Behälter ankoppeln, Feuchtstahl abzapfen und das Material an die zu reparierenden Lecks befördern. Die dort arbeitenden Mannschaften können den Feuchtstahl mittels Spezialdüsen auf die zu schließenden Lecks auftragen.«
Sie signalisierte nach dem nächsten Dia. »Hier sehen wir einen Querschnitt von der Meeresoberfläche bis zum Grund. Die Versorgungsschiffe an der Oberfläche und die Tauchboote unter Wasser sind in ihren augenblicklichen Positionen eingezeichnet. Vier bemannte Tauchboote sind bei der Bergungsoperation eingesetzt. Dazu gehören die Ihnen schon von der Erforschung der Lorelei-Strömung bekannte Sappho I und die neuere und technologisch verbesserte Sappho II. Aufgabe von Sappho I ist die Abdichtung des vom Eisberg gerissenen Lecks und die Schließung der Löcher, die die Kessel in den Rumpf geschlagen haben. Sappho II soll die kleineren Öffnungen wie Luftschächte und Luken versiegeln. Das Tauchboot der Marine, die Sea Slug, hat die Aufgabe, Reste von Masten, Aufbauten und den Schornstein zu entfernen, der über das hintere Bootsdeck gefallen ist. Und die Deep Fathom, ein Tauchboot der Uranus-Ölgesellschaft, installiert Druckminderungsventile am Rumpf und den Aufbauten der Titanic.«
»Könnten Sie bitte den Zweck dieser Ventile erklären, Dr. Seagram?« fragte ein junger Reporter höflich.
»Gern«, antwortete Dana. »Zuerst mußte natürlich durch eingepreßte Luft das Wasser aus dem Innern des Schiffs entfernt werden. Das ist ein komplizierter Vorgang, auf den ich hier nicht näher eingehen kann. Beim Heben des Schiffs wird nun natürlich der Luftdruck im Innern des Schiffs um so stärker wirksam, je mehr sich der Wasserdruck von außen vermindert. Die Titanic könnte also bei der Hebung zerplatzen, wenn die Druckminderungsventile nicht für einen ständigen Ausgleich zwischen Luftdruck und Wasserdruck sorgen würden.«
»NUMA will also das Wrack mit Hilfe komprimierter Luft heben?«
»Ja, das Versorgungsschiff Capricorn hat zwei Kompressoren an Bord.«
»Dr. Seagram, ich gehöre zum Stab der Zeitschrift
Wissenschaft heute
und weiß zufällig, daß der Wasserdruck dort unten, wo die Titanic liegt, über sechstausend Pfund pro Quadratzoll beträgt«, sagte eine andere Männerstimme aus dem Halbdunkel des Zuhörerraums. »Ich weiß auch, daß der größte zur Verfügung stehende Luftkompressor nur viertausend Pfund Druck erzeugen kann. Wie wollen Sie die Differenz überbrücken?«
»Zuvor hatte ich ja schon angedeutet, daß dieser komplizierte Vorgang sich nicht im Rahmen einer Pressekonferenz erklären läßt. Aber ich will es wenigstens in groben Umrissen versuchen. Durch eine speziell für diesen Zweck verstärkte Rohrleitung wird die komprimierte Luft von Bord der Capricorn in ein zweites Pumpgerät geleitet, das mittschiffs auf dem Wrack installiert wurde. Diese Pumpe sieht wie ein Flugzeug-Sternmotor aus: mit einer Reihe von Kolben rings um das Kerngehäuse. Zum Antrieb der Pumpe wird außer dem Wasserdruck der Tiefsee Elektrizität und der von oben herabgeleitete Luftdruck eingesetzt. Tut mir leid, daß ich es nicht genauer erklären kann. Aber ich bin Meeres-Archäologin und kein Meeres-Ingenieur.«
»Wie soll das Problem der Ansaugung gelöst werden?« fragte eine andere Stimme. »Die Titanic hat nun so viele Jahre im Bodenschlamm gelegen, daß sie doch ziemlich zäh daran festkleben dürfte.«
»Das stimmt sicherlich.« Dana gab ein Zeichen. Die Lichter im Saal wurden wieder hell, und einige
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