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Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Titel: Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: François Lelord
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nicht an mich – von der Praxis bin ich einfach schon zu weit weg …«
    Das war eine gute Idee, aber Hector gestand, was ihn eigentlich bewegte: »Ich frage mich, ob mir wirklich der Sinn danach steht, meine Arbeitsweise zu verbessern und meine Patienten mit anderen Augen zu sehen. Im Grunde glaube ich, dass ich lieber ein neues Leben beginnen möchte … beruflich, wohlgemerkt … nicht dass Sie meinen, ich wollte meine Frau verlassen …«
    Der alte François blieb für ein paar Sekunden stumm. Dann fragte er: »Aber denken Sie manchmal trotzdem darüber nach?«
    Damit hatte Hector schon gerechnet. Wenn man ein bisschen zu nachdrücklich verkündet, man wolle etwas Bestimmtes gewiss nicht tun, und ein Psychiater hört es, dann wird der sich fragen, ob man nicht gerade versucht, diesen Wunsch zu unterdrücken.
    Hector gestand dem alten François, dass er nicht umhinkönne, ein paar Sekunden zu träumen, wenn ihm eine ungewöhnlich verführerische Frau über den Weg lief. Aber das halte nicht lange an, denn er wisse, dass so ein Abenteuer wie ein feuchtfröhlicher Abend sei, der einem am Anfang richtig guttut und ganz wunderbar vorkommt. Aber dann behalte man oft einen schrecklichen Brummschädel davon zurück – mit dem Unterschied, dass Aspirin bei einer Affäre nicht helfe.
    »Wenn es herauskäme, würde ich Clara sehr wehtun …«
    »Ist es das, was Sie davon abhält?«
    »Ja. Und außerdem weiß ich, dass es ziemlich unreif wäre. Mit einer jungen Frau ein Abenteuer haben, ein Cabrio kaufen – das ist doch geradezu das Klischeebild eines Mannes in der Midlife-Crisis, nicht wahr? Eine Affäre haben, um sich selbst zu bestätigen und sich wieder jung zu fühlen … Das habe ich einfach zu oft gesehen.«
    Der alte François lächelte, als wollte er damit ausdrücken, dass er Hector gut verstehe, aber vielleicht lächelte er auch nur, weil er in seinem Schmortöpfchen gerade noch ein Stück Fleisch erspäht hatte, das unter einer Steckrübe verborgen gewesen war.
    »Lieber Freund, ich muss zugeben, dass mir mein Spider Alfa 2000 in wunderbarer Erinnerung geblieben ist … ein roter noch dazu … ich muss damals ungefähr so alt gewesen sein wie Sie jetzt … ah, an der italienischen Riviera entlangzusausen, die Haare im Wind … und der Kopf einer reizenden Frau lehnt sich einem an die Schulter …«
    Der alte François bekam einen träumerischen Blick, und schon fing auch Hector einen Moment lang an zu träumen.
    Ob es Clara war, die er sich im roten Spider an seiner Seite vorstellte?
    »Aber natürlich«, meinte der alte François, »betrachten Sie das alles vom Standpunkt der geistigen Reife aus.«
    »Ja, aber manchmal habe ich trotzdem das Gefühl, dass es so nicht weitergeht und dass ich den Rest meines Lebens nicht so zubringen will wie in den letzten Monaten.«
    »Sehen Sie«, sagte der alte François, »das ist ganz typisch für eine Midlife-Crisis! Man denkt an den Rest seines Lebens …«
    »Genau, und man will ihn bestmöglich nutzen.«
    »Das ist ein Beweis dafür, dass man sich noch ziemlich jung fühlt, mein lieber Freund. Was mich angeht, begnüge ich mich mit dem Wunsch, alles möge noch so lange wie möglich so weitergehen.«
    Wenn man jedoch die Energie sah, die der alte François ausstrahlte, hätte man glatt angenommen, sie hätte noch für ein neues Leben gereicht oder sogar für zwei. Aber vielleicht war es auch nur die Freude darüber, sich mit Hector im Lutetia zu einem guten Mittagessen zu treffen?
    »Lieber Freund, ich denke, dass wir uns noch öfter sehen müssen, um über diese Dinge zu sprechen. Bloß keine überstürzten Entscheidungen, Sie wissen das ja.«
    Hector hatte verstanden, dass der alte François mit »überstürzte Entscheidungen« das Ausagieren meinte, den Schritt zur Tat, denn die Psychologie ist wie ein Wörterbuch, in dem es immer noch eine zweite Bedeutung gibt.
    »Für nächste Woche habe ich vielen Patienten abgesagt«, entgegnete er, »und ich bleibe in Paris. Also, wann immer Sie wollen.«
    »Ich denke, wir sollten uns ziemlich regelmäßig treffen«, sagte der alte François und schaute Hector dabei an, als wollte er ihm begreiflich machen, dass er seinen Fall für ziemlich ernst hielt. »Bis zum nächsten Mal können Sie ja schon eine kleine Aufstellung von allen Dingen machen, die Sie sich von einem neuen Leben erhoffen.«
    Hector musste lächeln, aber er war einverstanden. Die leer geputzten Schmortöpfchen wurden fortgetragen, und obwohl die

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