Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)
Mannschaftsmitgliedern zu helfen. Am Ende aber hatte er nicht mehr die Zeit gehabt, selbst noch herauszukommen.
Hector dachte an die Schiffchen im Jardin du Luxembourg und an das, was er Ophélie über das Glück gesagt hatte. Sie hatte sehr früh lernen müssen, dass das Glück am Ende nicht immer zurückkommt – und der Papa auch nicht.
»Immerhin sieht es so aus, als hätte sie es sehr gut überwunden«, sagte der alte François. »Hätten Sie denn eine Idee, wo sie die Psychiatrie vor Ort kennenlernen könnte?«
»Vielleicht könnte ich sie in eine Ambulanz in eine der Hochhaussiedlungen mitnehmen?«
»Wunderbar!«, meinte der alte François.
Aber Hector, der noch daran dachte, wie er auf die Nachricht von Ophélies baldiger Ankunft reagiert hatte, fragte sich, ob es wirklich so eine wunderbare Idee war.
Hector wird unruhig
Hector ließ sich noch ein Glas Crozes-Hermitage bringen, weil er hoffte, der Wein würde seinen Knoblauchatem überdecken. Er saß Ophélie genau gegenüber; sie hatte auf der Bank neben ihrem Großvater Platz genommen, während der Verlobtenanwärter, ein gut aussehender junger Mann mit ernsthaftem Gesicht, einen Stuhl zu Hector herangerückt hatte und mit trauriger Miene ein Glas Wein mittrank.
Ophélie und er waren gerade aus dem Theater gekommen, wo sie einen der großen Klassiker gesehen hatten, Bérénice von Racine, aber in einer modernen Adaption, bei der die Figuren in Straßenanzügen herumliefen und zwischen den Akten Musik gespielt wurde, die für diese Inszenierung komponiert worden war.
»Zum Glück haben sie den Text nicht verändert«, meinte der junge Mann, der Antoine hieß.
»Mögen Sie Racine?«
Ein junger Mann aus dieser Generation, der sich mit einem französischen Klassiker gut auskannte, war selten, aber Hector hatte mittlerweile begriffen, dass Antoine vom ernsthaften Schlag war. Er beendete gerade seine Doktorarbeit in Genetik am Institut Pasteur – schon das Thema hatte Hector nicht ganz verstanden. Dazu war er ein Tennisass (»Er ist sogar in der nationalen Rangliste!«, hatte Ophélie stolz verkündet), spielte Klavier, um sich zu entspannen, und las wie Robert vor dem Einschlafen die Philosophen, allerdings eher die Neoplatoniker. Antoine schien sowohl mit seinen Genen als auch mit seiner Erziehung Glück gehabt zu haben. Aber im Moment reichten alle diese Trümpfe nicht aus, um Ophélie zu bezaubern. Die schien ganz im Gespräch mit ihrem Großvater aufzugehen und warf Hector hin und wieder einen Blick zu, der zu besagen schien: »Haben Sie nur ein wenig Geduld …«
»Ah ja«, sagte der alte François, »ich habe mindestens vier Inszenierungen von Bérénice gesehen, die erste im Jahr … aber das sage ich hier lieber nicht!«
»Als du auf dem Gymnasium warst, Großvater?«
»Ja, und später noch eine andere denkwürdige Aufführung direkt nach dem Krieg.« Er nannte die Namen der Schauspieler, bei denen Hector noch das eine oder andere Gesicht vor Augen hatte, während sie für Ophélie und Antoine offenkundig Unbekannte waren.
»Stellenweise habe ich es sehr berührend gefunden«, sagte Ophélie. »Beinahe magisch …«
»Sehen Sie, lieber Freund«, sagte der alte François zu Hector.
»Bloß schade, dass die Sitze so unbequem sind«, meinte Antoine, der ein wenig größer als Hector war.
Auch Ophélie hatte ein Glas Crozes-Hermitage getrunken; der Wein hatte ihre Wangen gerötet, und ihre Augen glänzten. Sie sah wunderbar aus, und Hector verspürte Mitleid mit Antoine.
Leidenschaftlich verliebt zu sein … Hector wusste nicht, ob er Sehnsucht nach diesem schmerzhaften Zustand hatte, der ein Vorrecht der Jugend war. Er erinnerte sich an ein Wort von Balzac: »In der Liebe gibt es immer einen, der leidet, und einen, der sich langweilt.«
Ophélie wirkte im Gespräch nicht so, als würde sie sich langweilen, und doch sah es auch nicht so aus, als wäre sie Antoine so leidenschaftlich zugetan wie er ihr.
»Ah«, sagte der alte François, »wenn Titus Bérénice die Trennung verkündet …
Wohl weiß ich um die Qual, der ich anheimgegeben,
Und fühl, unmöglich ist’s, von Euch getrennt zu leben,
Fühl, wie mein eigen Herz sich von mir abgetan;
Doch leben gilt es nicht, regieren gilt’s fortan. «
»Bravo«, sagte Ophélie, die entzückt davon war, wie ihr Großvater für einige Sekunden den Blick und den Tonfall eines tragischen Helden angenommen hatte.
»Diese Passage liebe ich sehr«, sagte der alte François. »Titus
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