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Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Titel: Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: François Lelord
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die Kranken, die vorbeischauten, für Kurse eintrugen.
    »Die Situation ist schwierig«, sagte Hector. »Nicht nur, dass er seinen letzten Termin bei mir versäumt hat – auch sein Pfarrer, mit dem er sonst regelmäßig spricht, hat ihn nicht mehr gesehen. Und angerufen hat er auch nicht.«
    »Ja, echt schwierig. Und in seiner alten Wohnung in Paris?«
    »Der örtliche Krankenpfleger hat vorbeigeschaut, aber auch die Nachbarn hatten ihn schon seit Tagen nicht gesehen. Daraufhin hat der Pfleger die Polizei benachrichtigt.«
    »Aber auf mich hat dieser Roger ganz in Ordnung gewirkt«, sagte Hectors Kollege.
    »Ja, sicher, aber ohne seine Medikamente …«
    Die Vorstellung, Roger könnte allein durch Paris irren, gefiel Hector ganz und gar nicht. Womöglich würde er einen Zwischenfall provozieren und dann ein neues Leben anfangen müssen, das schlimmer war als jenes, das man für ihn vorgesehen hatte.

Hector stößt etwas zu
    Ophélie war zufrieden. Sie berichtete Hector, was sie alles gesehen hatte – den Raum für die Kunsttherapie, in dem Werke hingen, die man in einer Galerie für zeitgenössische Kunst hätte verkaufen können, sofern man ihre Herkunft verschleierte; den Gesprächsklub, in dem die Patienten im Kreis saßen und mit einem Psychologen wieder lernten, über ein Thema ganz normal zu reden (eine Fähigkeit, die sie seit dem letzten schlimmen Ausbruch ihrer Krankheit ein wenig verloren hatten), und noch andere Gruppen, deren Stundenpläne an der Wandtafel ausgehängt waren.
    »Ich habe verstanden, dass man ihnen wieder beibringt, wie man lebt, wie man sich in der Außenwelt behaupten kann.«
    »Ja, denn Medikamente sind zwar notwendig, aber nicht ausreichend.«
    »Aber finden sie denn wieder Arbeit?«
    »Das ist ja das Problem«, sagte Hector. »In unserer Gesellschaft gibt es fast keine Arbeit mehr für sie.«
    Sie begannen über die Anforderungen der modernen Gesellschaft zu reden, in der es ganz anders lief als einst auf dem Dorf, wo man noch in der Familie arbeitete und ein jeder auf dem Bauernhof mithelfen konnte. Dieses Thema schien Hector unverfänglich zu sein; jedenfalls war es besser, als über Liebestränke zu sprechen. Doch plötzlich fiel ihm ein Trupp von drei Jugendlichen auf, die gerade den Bahnsteig betreten hatten. Sie hatten Ophélie schon ins Auge gefasst und machten sich durch Rippenstöße gegenseitig auf sie aufmerksam.
    Hector und Ophélie hätten mitten am Nachmittag vielleicht nicht auf dem Bahnsteig eines Problemvororts warten sollen. Aber die Taxis, die sie zu rufen versucht hatten, waren erst viel später frei gewesen, und eine Heimfahrt mit dem Zug schien ihnen eine vernünftige Lösung zu sein, denn sonst hätten sie warten müssen, bis jemand vom Krankenhaus sie zu einem Taxistand begleitete. Es hätte sie auch niemand nach Arbeitsschluss mit dem Auto mitnehmen können, denn von den Angestellten der Ambulanz konnte sich keiner eine Wohnung in Paris leisten.
    Hector hatte sich gesagt, es sei ja noch gar nicht so spät am Tag, der schlechte Ruf dieser Vorortzüge sei ohnehin übertrieben, und die meisten jungen Leute, die in dieser Gegend wohnten, seien ganz gewiss keine Monster, sondern wollten einfach studieren oder arbeiten, also ein normales Leben führen. Und sowieso bauschten die Medien alles auf.
    Aber jetzt spürte er die höhnischen und aggressiven Blicke jener drei jungen Männer und stellte auch fest, dass der Bahnsteig beinahe leer war. Die wenigen Wartenden – Frauen oder ältere Herren – achteten darauf, die Dreiergruppe nicht anzuschauen. Das beunruhigte Hector, denn diese Leute mussten von hier sein und kannten die drei wahrscheinlich.
    Schließlich kam einer von ihnen, der offensichtlich der Anführer war, auf Hector und Ophélie zu; die beiden anderen eskortierten ihn mit ein paar Schritten Abstand.
    »Wow, Alter, nicht übel, deine Tusse!«
    Diese Worte hätten harmlos und sogar schmeichelhaft sein können, aber Hector sah, dass im Blick des Anführers böse Absicht lag – und vor allem die Freude des Psychopathen, der einem anderen Angst machen kann. Es war so ein Blick, dem man in einer Vorstandssitzung genauso begegnen kann wie auf einem halb leeren Bahnsteig. Die beiden anderen waren nur Mitläufer; sie waren noch ganz jung, eigentlich halbe Kinder, dachte Hector, und trotzdem mussten sie schon ungefähr so schwer sein wie er.
    »Sie ist nicht meine Tusse«, sagte Hector, »sondern eine Journalistin.«
    »Ah, da will sie wohl was über uns

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