Hei hei er und dann
sie ihn nur behalten konnte, wenn sie gut war. Und sie hatte sich fest vorgenommen, gut zu sein.
„Ah. Noch mehr Schweigen. Sie denken. Das ist gut“, unterbrach Emma ihre Gedanken. „Aber wenn Sie sich mitteilen wollen, werde ich Ihnen liebend gern zuhören.“
„Sie sind ganz schön neugierig.“ Rina blickte liebevoll auf ihre neue Freundin. „Und ausgesprochen aufmerksam.“
„Wenn man so lange lebt wie ich, sollte man das eine oder andere gelernt haben“, gab Emma zwinkernd zurück. „Und jetzt möchte ich mehr über Ihre Kolumne hören. Habe ich schon erwähnt, dass ich Ihren Schneid bewundere?“
„Heute noch nicht“, erwiderte Rina.
Emma nahm einen Bleistift auf und tippte mit der Radiergummiseite auf ihren Schreibtisch. „Einen Mann zu finden ist heutzutage viel aufwendiger als in meiner Jugendzeit. Früher hat man sich einfach in die Wangen gekniffen, heute muss man sich das passende Rouge besorgen. Früher nahm man einfach Taschentücher, und heute sind BHs mit Gelkissen der letzte Schrei.“ Sie musterte Rina eingehend. „Und obwohl Sie eine natürliche Schönheit sind, könnte ein bisschenSchnickschnack helfen, die Konkurrenz auszustechen.“
Rina schmunzelte nur. „Was wollen Männer wirklich?“, meinte Emma. „Wir werden es nie erfahren, weil sie es uns nie verraten werden.“
„Ich will gar nicht, dass sie es mir verraten“, entgegnete Rina. „Ich habe vor, es durch meine Beobachtungsgabe selbst herauszufinden. Ganz methodisch. Und dabei geht es nicht nur um Aussehen. Es geht auch darum, wie eine Frau sich gibt, wie sie redet und wie sie sich bewegt.“ Sie wackelte zur Illustration mit den Hüften.
„Mehr Bewegung“, forderte Emma.
Rina schwang die Hüften und lieferte eine Britney-Spears-Imitation, bei der selbst eine Zwanzigjährige vor Neid erblasst wäre. Einer der Layouter am anderen Ende des Büroraumes klatschte laut Beifall.
Rina verbeugte sich. „Sehen Sie? Körpersprache bewirkt einiges. Die Frage ist nur: Was ist wichtiger – Körpersprache oder Intellekt? Würde ein intelligenter Mann nicht eine Frau wollen, mit der er sich beim Frühstück unterhalten kann?“
„Nein. Männer wollen ein Schmuckstück am Arm.“ „Ach, kommen Sie. So oberflächlich kann die Spezies Mann doch nicht wirklich sein.“
Emma verdrehte die Augen. „Männer wollen eine Frau, die sie mit Stolz vorzeigen können. Das ist das männliche Ego, meine Liebe.“
„Hm. Stimmt.“ Sie hasste zwar, es zuzugeben, aber ihr verstorbener Mann war auch dieser Auffassung gewesen. Nach ihrer Heirat hatte er demonstrativ ihre Stelle in seiner Anwaltskanzlei gestrichen und ihr ein Luxusleben geboten, um das so manche Frau sie beneidet hätte. Im Gegenzug erwartete er eine perfekt gestylte Hausherrin, die repräsentieren und die Gastgeberinnenrolle übernehmen konnte. „Sie haben wohl recht.“
„Und der Grund, weshalb Sie nach drei Monaten in dieser Stadt immer noch solo sind, liegt darin, dass Sie nichts tun, um Ihr gutes Aussehen zu betonen.“
Rina legte eine Hand auf ihren wenig schmeichelhaften Haarknoten und grinste. „Ich weiß.“
„Verzeihung, aber das verstehe ich nicht.“ Emma schüttelte verwirrt den Kopf.
„Corinne hat mich eingestellt, damit meine Kolumne neuen Schwung in die Zeitung bringt. Das will ich erreichen, indem ich den Lesern aus meinem eigenen Erfahrungsschatz berichte. Also habe ich mich hier in der Stadt zunächst als stille, unauffällige Frau etabliert.“
Emma schob nachdenklich die Unterlippe vor. „Erzählen Sie wei ter.“
„Von meinem ersten Tag an habe ich aufmerksam beobachtet und die Reaktionen der Männer auf diesen Frauentyp erforscht und notiert.“ Die zurückhaltende, ungeschminkte Frau in weit geschnittener Kleidung hatte nicht besonders viel Interesse geweckt. Wobei Colin Lyons’ eindringlicher Blick die ausbleibenden anderen Reaktionen mehr als wettgemacht hatte. „Nun werde ich Schritt für Schritt mein Aussehen und mein Verhalten ändern und beobachten, wie die Männer auf die jeweilige Veränderung reagieren. Dann kann ich meinen Leserinnen aus erster Hand berichten, was Männer wollen.“
„Das hört sich wirklich professionell an“, meinte Emma. „Alle Achtung, Sie sind aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ich! Was das Gespür für Menschen und Beziehungen angeht, bin ich auch so was wie ein Naturtalent. Denken Sie nur an Logan und Catherine“, verwies sie auf ihren wohlhabenden Enkel und seine geliebte Frau.
Rina wusste,
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