Hei hei er und dann
ehemaliger Nachrichtenmoderator hatte er die gemeißelten Gesichtszüge, die im Fernsehen so beliebt waren, außerdem Grübchen und ein strahlend weißes Lächeln, das durch die leicht schief stehenden Schneidezähne noch charmanter wirkte. Der Bartschatten auf Wangen und Kinn, der Seemannspullover und die ausgebleichte Jeans verliehen ihm ein verwegenes, abenteuerliches Flair.
„Gefällt Ihnen, was Sie sehen?“, fragte er keck und verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust.
„Ja, sehr“, erwiderte Rina und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Doch es war zu spät.
Sie fühlte sich ertappt und wurde rot. Hilfe suchend blickte sie zu Emma. Die nickte in Colins Richtung und meinte: „Du musst Rina entschuldigen, sie ist ein wenig durcheinander. Und man kann es ihr wirklich nicht übel nehmen.“
„Wieso?“, wollte Colin nun wissen. Er sprach mit Emma, löste aber nicht den Blick von Rina.
Emma seufzte. „Ihr jungen Leute! Nehmt euch niemals Zeit, euch mal umzusehen und die Dekoration zu bewundern …“Colin machte ein verständnisloses Gesicht. „Schaut nach oben, Kinder. Ihr steht unter einem Mistelzweig“, flötete Emma und deutete mit einem breiten Grinsen Richtung Decke.
Während Colin Emmas Blick nach oben folgte, unterdrückte Rina ein Stöhnen. Sie war Emma in die Falle gegangen.
„Nun, Colin?“, meinte die alte Dame, während sie ihre Handtasche nahm und sich zum Gehen wandte. „Wirst du die Tradition aufrechterhalten?“
Rina wusste aus Erfahrung, dass einem das Leben selten eine zweite Chance bot. Mit Colin unter dem Mistelzweig zu stehen war eine einmalige Gelegenheit. Sie hatte nun schon so viel über ihr neues Leben in dieser Stadt geredet und war schwer versucht, endlich Taten folgen zu lassen und ihrem erotischen Impuls nachzugeben.
„Ja, das würde ich auch gern wissen“, flüsterte sie Colin mutig zu. Dann lehnte sie sich noch etwas näher an seinen sinnlichen Mund heran. „Trauen Sie sich?“
2. KAPITEL
Aus dem Augenwinkel sah Rina, wie Emma durch die Bürotür nach draußen schlüpfte.
„Emma ist gegangen“, sagte Colin. Er klang ebenso verblüfft, wie Rina sich durch die plötzliche Wendung der Ereignisse fühlte. Seine Stimme klang ein kleines bisschen belegt.
„Und hinterlässt die Verbliebenen in einigem Aufruhr“, fügte Rina hinzu.
„So nennen Sie das also.“ Er musterte sie schamlos von oben bis unten. Rina wusste nicht, wonach er suchte, aber sie hatte das Gefühl, als könnte er mit seinen blauen Augen in ihr Innerstes blicken.
Um ihre Gedanken zu lesen? Dann würde er jetzt wissen, dass sie diese Tradition sehr ernst nahm. Und mittlerweile war sie auch gespannt darauf, wie es wohl wäre, unter dem Mistelzweig geküsst zu werden. Von Colin.
Er legte seine Hände auf ihre Schultern, und ihr wurde heiß. Ihr Magen kribbelte vor Aufregung, während der Wunsch, Colin zu küssen, immer weiter wuchs.
„Rina?“
„Ja?“
Er nahm ihr die Brille ab und legte sie auf den Schreibtisch. „Wissen Sie, dass Sie goldene Sprenkel in Ihren schönen braunen Augen haben?“
Unfähig zu sprechen, leckte sie sich einmal über die trockenen Lippen. Sein Blick folgte der Bewegung.
Als waschechte New Yorkerin, noch dazu aus der Bronx, hatte Rina keine Hemmungen, das einzufordern, was sie wollte. Und sie wollte, dass ihr neues Leben jetzt begann. Obwohl sie Colin kaum kannte, wollte sie nehmen, was immer er zu geben bereit war. „Sie sollten wissen, dass ich dieGelegenheit zu einem Kuss unter dem Mistelzweig nie ungenutzt verstreichen lasse.“
„Und Sie sollten wissen, dass ich jede Herausforderung annehme“, entgegnete er in Anspielung auf ihre Frage, ob er sich traue, sie zu küssen. „Außerdem lehne auch ich mich nicht gegen die Tradition auf – auch wenn sie recht unerwartet ihr Recht auf Erfüllung verlangt“, flüsterte er, bevor er den Kopf neigte und ihren Mund mit seinen Lippen streifte.
Spielerisch erkundete er ihre weichen, warmen Lippen, ehe er sanft mit der Zunge die Konturen ihres Mundes nachzog. Unwillkürlich teilte Rina die Lippen, und ihre Zungen berührten sich leicht.
Die Berührung, sein Geschmack und sein Duft weckten in ihr eine lang unterdrückte Begierde, aber auch eine Leidenschaft von nie gekannter Intensität. Rina erschauerte, und er umfasste ihre Schultern mit festem Griff, was ihr zeigte, dass auch er von ihrem Kuss nicht unbeeindruckt war.
Doch dann gewann ihre Vorsicht die Oberhand. Sie zwang sich, den Kuss zu
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