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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Tietz
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orientieren zu können, um das plausibel zu machen, was er ein eigentliches Reden nennt. Die Orientierung am »je
eigenen
Dasein« soll nicht nur für die authentische Wahl konstitutiv sein, sondern auch für ein Reden, das er als »eigentlich« bezeichnet. Dies hat mißliche Konsequenzen. Nicht nur, daß Heidegger nicht zeigen kann, wie dieses eigentliche Verstehen und Reden zu verstehen ist. Obendrein läuft er in hermeneutischer Hinsicht Gefahr, ein Problem zu rehabilitieren, das in erkenntnistheoretischer Hinsicht seiner eigenen Sinnkritik an den Voraussetzungen der Bewußtseinsphilosophie verfiel: das Problem, wie das »erkennende Subjekt aus seiner inneren ›Sphäre‹ hinaus in eine ›andere und äußere‹ « kommt.
    Zwar konnte Heidegger in bezug auf die Subjekt-Objekt-Relation der neuzeitlichen Erkenntnistheorie dieses Problem, und damit verbunden das Problem des erkenntnistheoretischen Solipsismus, als ein Scheinproblem enttarnen, es kehrt jedoch in modifizierter Gestalt wieder, nämlich in der Subjekt-Subjekt-Relation der sprachlich vermittelten Interaktion. [96] Heidegger hat sich stets geweigert, das Erkennen als »Zurückkehren des erfassenden Hinausgehens mit der gewonnenen Beute in das ›Gehäuse‹ des Bewußtseins« (SZ 62) zu begreifen, eben weil die »Klärung des In-der-Welt-seins« zeigte, »daß nicht zunächst ›ist‹ und nie gegeben ist ein bloßes Subjekt ohne Welt. Und so ist am Ende ebensowenig zunächst ein isoliertes Ich gegeben ohne die Anderen«, da diese immer schon mit dem »In-der-Welt-sein
mit da sind
« (SZ 116). Doch auf der hermeneutischen Ebene wird das Dasein genau in dieses »Gehäuse« gesperrt, so es denn eigentlich redet. Damit taucht für Heidegger das Problem des Solipsismus in Gestalt einer Privatsprache wieder auf. Sollte das Mitsein ursprünglich das Dasein vor dem Gang in den erkenntnistheoretischen Solipsismus bewahren, so tut sich nun mit der eigentlichen Rede der Gang in den »existenzialen ›Solipsismus‹ « auf. (SZ 188)
    Wohl versichert Heidegger, daß der »existenziale ›Solipsismus‹ « das Dasein nicht als ein »isoliertes Subjektding in die harmlose Leere eines weltlosen Vorkommens« versetzt, sondern gerade erst im eigentlichen Sinn »vor seine Welt« und »vor sich selbst als In-der-Welt-sein bringt«. »Nur die alltägliche Vertrautheit« soll zusammenbrechen. Zu dieser zählt aber ganz offenkundig auch das Sprachspiel, in dem und aus dem wir uns selbst verstehen. Bricht dieses tatsächlich zusammen, stellt sich das Problem des Solipsismus in Form einer Privatsprache. Wie es scheint, ist Heidegger noch in der Kritik an der bewußtseinsphilosophischen Intersubjektivitätstheorie jenen Prämissen verhaftet, gegen die er opponiert. Denn auch seine Intersubjektivitätstheorie geht methodisch vom »je
eigenen
Dasein« aus – zumindest was den Modus der Eigentlichkeit anbetrifft. Und dieses Dasein trägt alle Züge eines phänomenologisch reduzierten Seins. So wie Husserl gegenüber dem »Hineindenken« und »Hineinhandeln« eine phänomenologisch geänderte Haltung fordert – eine Haltung, die es dem Epoché übenden Phänomenologen nicht nur gestatten soll, die »Generalthesis der natürlichen Einstellung« zu suspendieren, sondern die es ihm gleichzeitig erlaubt, kraft [97] phänomenologischer Selbstreflexion eine Basis absoluter Unbezweifelbarkeit einzunehmen, von der aus der Begründungsregreß gestoppt und weitere Fragen nach Rechtfertigung als sinnlos abgewiesen werden können –, so fordert auch Heidegger, gegenüber dem Hineindenken, Hineinhandeln und Hineinsprechen des alltäglichen In-der-Welt-Seins eine existenzial geänderte Haltung einzunehmen. Das Ziel liegt dabei darin, das Dasein im Modus der Eigentlichkeit vor den Relativitäten und der Situiertheit des alltäglichen In-der-Welt-Seins zu retten. Heidegger hat zwar die phänomenologische Reduktion vom Zwang des Methodischen entbunden. Die Vereinzelung wird von ihm als ein existenzieller Vollzug begriffen, während die phänomenologische Reduktion eine vom unbeteiligten Zuschauer gehandhabte Methode darstellt. Doch durch die Forderung, eigentliches Reden und Verstehen habe sich am Modus der Eigentlichkeit auszurichten, reproduziert Heidegger das Intersubjektivitätsproblem auf existenzialontologischer Ebene.
    Damit gehen Heidegger die Explikationsgewinne, die er mit der Mitseinsanalyse durch die Kritik an den Voraussetzungen der neuzeitlichen Bewußtseinsphilosophie gewonnen hat,

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