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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Tietz
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Heidegger der Öffentlichkeit neben der nivellierenden, verdurchschnittlichenden und autoritären Seite keine weitere mehr ab –, muß die auf diese Weise hergestellte Öffentlichkeit zwangsläufig als Pseudoöffentlichkeit aufgefaßt werden, als eine Öffentlichkeit, die, statt alles zu erhellen, alles verdunkelt und auf diese Weise das »so Verdeckte als das Bekannte und jedem Zugängliche« ausgibt. (SZ 127) Das Gerede leistet hierfür das Seine.
    Nun würde man Heideggers Ausführungen über die Verfallenheit des Daseins mißverstehen, wenn man diese »als ›Fall‹ aus einem reineren und höheren ›Urstand‹ « auffassen würde. Heidegger will keine Kulturkritik in der Traditionslinie von Nietzsche, Georg Simmel (1858–1918), Ludwig Klages (1872–1956) oder Oswald Spengler (1880–1936) üben. Zwar kennt auch er jenes »Unbehagen an der Kultur«, das die offen eingestandene oder aber versteckte Quelle aller lebensphilosophisch inspirierten und kulturkritisch gewendeten Beunruhigung markiert. Und selbst die lebensphilosophische Verheißung einer leib-seelischen Totalerneuerung läßt sich bei Heidegger in einer fundamentalontologischen Reformulierung nachweisen – und zwar durchaus auch in einem handfest praktisch-politischen Sinn. 47 Doch Heideggers Versicherung, daß das »Man« nicht eine Abart des Kulturbetriebs darstellt, ist ernst zu nehmen. »
Das Man ist ein Existenzial und gehört als ursprüngliches Phänomen zur positiven Verfassung des Daseins
.« (SZ 129) Das gleiche läßt sich nun auch vom Gerede sagen. Gerade am Gerede wird für Heidegger der allgemeine Umstand deutlich, daß die Massenkultur eine Durchschnittskultur ist, die wesentlich von der »Neugier« und der »Zweideutigkeit« [92] getragen wird. Das Gerede entsteht also nicht etwa als Bodensatz und Abfallprodukt jener Durchschnittskultur, es gehört vielmehr zu jener Seinsart des Miteinanderseins selbst und kann ihr folglich auch nicht »von außen« zustoßen.
    Heidegger erläutert diesen Gedanken wie folgt: Die »sichaussprechende Rede« als »Mitteilung« ist durch eine besondere Verständlichkeit kompromittiert, die sich als »Durchschnittlichkeit« charakterisieren läßt. »Gemäß der durchschnittlichen Verständlichkeit, die in der beim Sichaussprechen gesprochenen Sprache schon liegt, kann die mitgeteilte Rede weitgehend verstanden werden, ohne daß sich der Hörende in ein ursprünglich verstehendes Sein zum Worüber der Rede bringt. Man versteht nicht so sehr das beredete Seiende, sondern man hört schon nur auf das Geredete als solches. Dieses wird verstanden, das Worüber nur ungefähr, obenhin; man meint
dasselbe
, weil man das Gesagte gemeinsam in
derselben
Durchschnittlichkeit versteht.« (SZ 168) In der Durchschnittskultur, wo sich alles am Gerede ausrichtet, kann demnach strenggenommen die Mitteilung überhaupt nicht mehr geteilt werden, zumindest nicht in einem »eigentlichen« Sinn. In der durchschnittlichen Verständigkeit gibt es nichts, was sich noch in der Rede teilen ließe, da die durchschnittliche Verständigkeit eine Verständigkeit ist, die bereits geteilt
ist
, so daß hier auch nichts mehr verständig geteilt
werden
muß. Sofern also das Miteinandersein in der »Botmäßigkeit der Anderen« steht, bewegt sich das Miteinandersein auch »im Miteinanderreden und Besorgen des Geredeten«. Und genau damit kann die »Echtheit und Sachgemäßheit der Rede und ihres Verständnisses« nicht mehr garantiert werden.
    Der Grund hierfür ist somit nicht darin zu suchen, daß eine Rede, die sich im Miteinanderreden des Beredeten hält, den »primären Seinsbezug« »verloren« hat. Denn solch eine Rede hat diesen »primären Seinsbezug« ja »nie gewonnen« und kann ihn folglich auch nicht verlieren. Und genausowenig darin, daß hier die »Absicht auf Täuschung« vorliegt. Denn wer täuschen will, müßte schon diesen »primären [93] Seinsbezug« hergestellt haben. Nein, das Gerede, das »bodenlose Gesagtsein und Weitersagen« ist der Grund dafür, daß dieser echte Seinsbezug nicht hergestellt wird. Das Gerede selbst ist die Instanz, die dafür verantwortlich sein soll, daß sich das »Erschließen verkehrt zum Verschließen« – nicht etwa der mehr oder weniger kompetente Sprecher einer Sprache. Im Gerede sieht Heidegger einen Mechanismus eingebaut, der für einen Verkehrungseffekt sorgt, der das Dasein von »den primären und ursprünglichen Seinsbezügen zur Welt, zum Mitdasein [und] zum In-Sein selbst«

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