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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Tietz
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abschneidet. (SZ 170)
    Nun läßt sich die These von der Verfallenheit des Geredes in einem schwachen Sinn und einem starken Sinn verstehen. Verstehen wir sie in ihrer schwachen Variante, dann scheint sie akzeptabel, für Heidegger jedoch nicht verwertbar, wohingegen die These in ihrer starken Variante für Heidegger zwar verwertbar scheint, aber sinnlos wird. Bei der schwachen Variante würden wir den Verstehensbegriff in der Weise verwenden, daß mit ihm das Erfassen eines sprachlichen Sinns bezeichnet wird, wobei sich diese These dann als Ausdruck einer wahrheitssemantischen Bedeutungstheorie begreifen ließe. Wenn wir den Verstehensbegriff so verwenden, heißt das: Wir haben eine Äußerung nicht eigentlich verstanden, wenn wir nicht wissen, worum es im Verlauf eines Gesprächs geht. Das Problem ist nur, daß sich mit dieser Feststellung nicht schon ein Schnitt zwischen einem eigentlichen und einem uneigentlichen Verstehen legen läßt.
    Dies kann Heidegger nicht genügen. Er muß darüber hinaus zeigen, daß das Gerede per se keinen »primären Seinsbezug zum beredeten Seienden« und damit zu den »Sachen selbst« herstellen kann – wobei der Grund hierfür in der Öffentlichkeit als Öffentlichkeit liegen soll. Und nur wenn Heidegger dies plausibel machen kann, ließe sich aus der Unterscheidung von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit ontologisches Kapital in bezug auf das Problem von Sprache und Verstehen schlagen. Heidegger muß die starke Variante der Verfallenheitsthese vertreten, sofern er sie kritisch gegen das Gerede richten will. [94] Dazu verkoppelt er zwei Thesen: erstens die These vom »Sein zum Tode« als Bedingung der Möglichkeit einer Wahl, die in negativer Hinsicht die »objektive Wir-Welt« außer Kraft setzt und in positiver Hinsicht den transzendentalen Sinnhorizont freilegt, der Eigentlichkeit verbürgt. Und zweitens die These, daß im Modus der Eigentlichkeit ein diesem Modus entsprechendes Reden vorliegt – eben eine eigentliche Rede. Genau dadurch wird jedoch die Verfallenheitsthese sinnlos. Denn die von Heidegger anvisierte eigentliche Rede ist eben nicht einfach das Kontrastbild zum uneigentlichen Gerede, etwa eine Rede, die den gekappten »Seinsbezug zum beredeten Seienden« wiederherstellt, sondern eine Rede, die sowohl von allen Bezügen zum Mitsein als auch von allen Bezügen zur beredeten Sache abschneidet – wobei Heideggers Versicherung, daß es überhaupt diesen »primären Seinsbezug« gibt, ohnehin alles andere als plausibel ist.
    Das, was Heidegger im Hinblick auf das uneigentliche Gerede anmerkt, läßt sich noch in viel schärferer Form über die eigentliche Rede feststellen: Dieses Rede wäre nicht nur »bodenlos«, »nichtig«, »unecht« und »sachwidrig«; sie wäre eine Rede, die nur das Stillschweigen bewahrt. Im Modus der Eigentlichkeit ist weder eine eigentliche Rede noch ein eigentliches Verstehen möglich, da hier nur andächtig geschwiegen werden kann. Es ist daher kein Zufall, wenn Heidegger schon in
Sein und Zeit
behauptet, daß das Reden »eine andere wesenhafte Möglichkeit« hat: »das
Schweigen
« (SZ 164).
    So richtig es also ist, daß die Endlichkeit des Daseins eine Bedingung der Möglichkeit dafür ist, daß etwas in der Welt für uns als bedeutsam erscheint, so wenig folgt daraus, daß die Bedingungen der Möglichkeit der Verstehbarkeit von sprachlich geteilten Bedeutungen nur von den Endlichkeitsbedingungen des »je
eigenen
Daseins« abhängig sind, das sich im Modus der Eigentlichkeit authentisch auf seine Möglichkeiten entwirft. Dem widerspricht zum einen, daß für die sprachliche Verständigung in einer intersubjektiv geteilten Sprache die Orientierung am »je
eigenen
Dasein« nicht konstitutiv sein [95] kann, und zum anderen, daß eben diese Sprache das »je
eigene
Dasein« transzendiert. Denn eine intersubjektiv geteilte Sprache als Bedingung der Möglichkeit des Verstehens von »Tod« macht überhaupt erst ein intersubjektiv gültiges wie auch ein existenziell bezogenes Verständnis dafür möglich, was »Tod« überhaupt bedeutet. 48 In dieser Hinsicht verhält es sich genau umgekehrt, wie von Heidegger behauptet: Nicht das »Verstehen der Existenz« fundiert das hermeneutische Verstehen, sondern dieses fundiert jenes.
Die eigentliche Rede, Privatsprache und Intersubjektivität
    Obgleich Heidegger also das Mitsein als einen konstitutiven Zug des alltäglichen In-der-Welt-Seins ausgewiesen hat, meint er sich am »je
eigenen
Dasein«

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