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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Tietz
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kann nicht mehr »nach der spezifischen Bedingung der Möglichkeit von Wahrheit gefragt« werden, da ja Wahrheit qua Erschlossenheit schon als unproblematisch vorausgesetzt ist. Dadurch wird nun jedoch der »spezifische Sinn von Wahrheit völlig übergangen«. 70
    [119] Diese Unterstellung der Aussagenwahrheit unter die Erschlossenheit und schließlich ihre Nivellierung wird in zwei Schritten realisiert: Zunächst wird die Aussagenwahrheit als eine Form der Erschlossenheit bestimmt (später wird Heidegger von »Entbergen« sprechen). Dies ist ein wesentlicher Schritt über Kant und über Husserl hinaus. Indem Heidegger Husserls Intentionalitätsbegriff mit dem Begriff der Erschlossenheit übersteigt, wird es möglich, jenen Bereich thematisch zu machen, den Descartes, Kant und eben auch Husserl überspringen – das alltägliche In-der-Welt-Sein. Nachdem nun Wahrheit als Erschlossenheit bestimmt ist, erweitert Heidegger in einem zweiten Schritt den Wahrheitsbegriff derart, daß er mit dem der Erschlossenheit zusammenfällt, wodurch er sich nun auf alles Entdecken beziehen läßt. Und da alles entbergende Entdecken von innerweltlich Seiendem in der Erschlossenheit von Welt gründet, kann Heidegger jetzt sagen, daß jede Aussage entdeckend ist, die falsche wie die wahre.
    Freilich ergibt sich hier ein Problem: Wenn jede Aussage entdeckend ist, sowohl die wahre als auch die falsche, dann kann man hier, zumindest ohne eine kriteriale Unterscheidung, sinnvollerweise nicht mehr von einer Verborgenheit bzw. Verschlossenheit reden. Nach Heidegger soll aber auch in der falschen Aussage das Seiende »in gewisser Weise schon entdeckt und doch noch verstellt« sein. (SZ 222) Will er damit sagen, daß in jeder Aussage immer schon über Seiendes gesprochen wird, so würde er kaum mehr sagen als eine Trivialität. Auch seine Auskunft, bei der falschen Aussage handelt es sich um ein »Entdecken im Modus des Scheins« ist so lange gehaltlos, solange nicht deutlich wird, wie sich Sein und Schein voneinander scheiden lassen. Wenn also die These, daß auch die falsche Aussage entdeckt, mehr als eine bloße Versicherung sein soll, dann muß Heidegger angeben können, was und wie die falsche Aussage beim Entdecken verdeckt. Hier nun läßt uns Heidegger völlig im unklaren. Der Grund dafür liegt in der methodisch nicht mehr kontrollierbaren Unterscheidung [120] zwischen einer engeren und einer weiteren Bedeutung von Erschlossenheit.
    Gemäß der engeren Bedeutung ließe sich die wahre Aussage als entdeckend begreifen, da sie das Seiende so aufzeigt, »wie es an ihm selbst ist«, wohingegen die falsche Aussage eben nicht entdeckend ist, da sie das Seiende nicht so aufzeigt, »wie es an ihm selbst ist«. Heidegger behauptet jedoch, daß nicht nur die wahre Aussage, sondern auch die falsche Aussage entdeckt. Zwar fügt er einschränkend hinzu, daß es sich hierbei um ein Entdecken »in gewisser Weise« handelt. Insofern er aber kein Kriterium dafür bietet, was in »gewisser Weise« heißen soll, bleibt unklar, was und wie die falsche Aussage entdeckt und was verdeckt. »Da Heidegger weder das Entdecken der wahren Aussage noch das Verdecken der falschen Aussage näher qualifiziert, bleibt ihm nur der Ausweg einer quantitativen Bestimmung: in der falschen Aussage sei das Seiende ›nicht völlig verborgen‹.« Wie nun aber leicht zu sehen ist, handelt es sich hierbei um eine bloße Versicherung. Nicht weil Heidegger das Falsche als Verdecken bestimmt hat. Dies ließe sich unter Umständen noch als ein Gewinn begreifen, wenn sich näher bestimmen ließe, was und wie hier etwas verdeckt wird. Da Heidegger eine solche Bestimmung jedoch nicht bietet, kommt es hinsichtlich des Wahrheitsproblems zu jenen Zweideutigkeiten, die nicht nur für
Sein und Zeit
charakteristisch sind, sondern auch die späteren Schriften belasten. Was zu einer Vertiefung der Wahrheitstheorie hätte führen können, schlägt um in sein Gegenteil. »Der spezifische Sinn von Wahrheit geht im Entdecken als Apophansis gleichsam unter.« 71
    Sicher, die funktional-apophantische Auffassung der Aussage ist der statisch-intentionalen überlegen. Denn Heidegger kann mit der Erschlossenheitsanalyse auch das Problem der Thematisierung wissenschaftlicher Wahrheitsansprüche thematisch machen. Statt nun aber die sprachliche Welterschließung als eine transzendentalhermeneutische Bedingung von Wahrheit zu explizieren, identifiziert er kurzerhand Wahrheit und [121] Erschlossenheit.

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