Heidegger - Grundwissen Philosophie
ein Sprachspiel mit dem Paradigma der Existenz einer realen Welt schon voraus. Wenn aber dieses Sprachspiel vorausgesetzt werden muß, dann läßt sich dieses nicht im Kantischen Sinn als subjektive Bedingung der Möglichkeit der Weltbeschreibung verstehen. Es läßt sich allerdings auch nicht zum Objekt einer empirisch-analytischen Wissenschaft machen, da hiermit sogleich der quasi transzendentale Stellenwert des Sprachspiels verlorengeht. Denn wenn dieses Sprachspiel wie Beobachtungsdaten in den empirischan-alytischen Wissenschaften aufgefaßt wird, müßte man hierzu wieder ein Sprachspiel unterstellen, in dessen Kontext das Sprachspiel als eine objektive Tatsache [115] überhaupt identifiziert und beschrieben werden kann. Dies setzt jedoch voraus, daß jenes Sprachspiel Kontextualisierung und Erklärung leistet, ohne daß es sich selbst kontextualisieren und erklären ließe – zumindest nicht, ohne in einen unendlichen Regreß zu geraten.
Völlig zu Recht macht Heidegger auf den quasi transzendentalen Stellenwert aufmerksam, den dieses Sprachspiel als ein sinnbildender Horizont besitzt. Der »alltäglichen Ausgelegtheit, in die das Dasein zunächst hineinwächst, vermag es sich nie zu entziehen. In ihr und aus ihr und gegen sie vollzieht sich alles echte Verstehen, Auslegen und Mitteilen, Wiederentdecken und neu Zueignen. Es ist nicht so, daß je ein Dasein unberührt und unverführt durch diese Ausgelegtheit vor das freie Land einer ›Welt‹ an sich gestellt würde, um nur zu schauen, was ihm begegnet.« (SZ 169) Mit dem Argument, daß das Dasein in der traditionellen Erkenntnistheorie in einer ontologisch unzureichenden Weise angesetzt ist und demzufolge auch die Welt als vorhandene in ontologischer Hinsicht unzureichend aufgefaßt wird, macht Heidegger auf die Unangemessenheit der cartesianisch-kantischen Problemstellung hinsichtlich der Existenz der Außenwelt aufmerksam. Diese Problematik stellt sich überhaupt nur, weil man glaubt, in einem ersten Schritt die »Außenwelt« per Zweifel »›erkenntnistheoretisch‹ in Nichtigkeit« begraben zu können, um dann in einem zweiten Schritt auf der Grundlage des »verbleibenden Restes, des isolierten Subjekts« diese »Außenwelt« durch den Beweis wieder auferstehen zu lassen« (SZ 206).
Diese gegen Kant und gegen die cartesianische Zweifelakrobatik gerichtete Kritik, die sich auch noch gegen Husserl anbringen läßt, führt in negativer Hinsicht zu dem Resultat, daß in den »›erkenntnistheoretischen‹ Lösungsversuchen des Realitätsproblems« eine Reihe unausgesprochener, ja falscher Voraussetzungen am Werke ist, die einer Kritik nicht standhalten. Dies gilt auch für das Wahrheitsproblem. Denn bei Descartes und Kant auf der einen Seite wie bei Husserl auf der anderen Seite wird das je konkrete In-der-Welt-Sein des Daseins [116] übersprungen, das »
ein Sichrichten […] auf allererst möglich
« macht (SZ 137) – die »ontologische Wahrheit«. Sie fungiert als »transzendentale Ermöglichung der Intentionalität« (GA 9, 130) – und zwar in theoretischer wie auch in pragmatischer Hinsicht. Wie Heidegger in seinem Beitrag zur Husserl-Festschrift aus dem Jahr 1929 sagt, liegt die ontologische Wahrheit qua Erschlossenheit »als ursprüngliche Wahrheit aller ontischen ›Wahrheit‹ zugrunde […]. Unverborgenheit des Seins aber ist immer Wahrheit des Seins vom Seiendem, mag dieses wirklich sein oder nicht.« (GA 9, 133 f.) 67
Damit ist nun für die Wahrheitsproblematik nicht nur die Gemeinsamkeit mit Husserl festgehalten, sondern auch der entscheidende Differenzpunkt angesprochen. Die Gemeinsamkeit besteht darin, daß beide, Husserl und Heidegger, die Abbildtheorie ablehnen und diese durch eine phänomenologische Deskription der gegenständlichen Inhalte des Bewußtseins und ihrer intentionalen Gegebenheitsweisen ersetzen. Auf diese Weise kann zunächst die Adäquationsformel als Wahrheitsrelation zwischen Erwartung und Erfüllung zirkelfrei reformuliert werden. Da die phänomenologische Evidenztheorie an der Erfüllung von Intentionen ausgerichtet ist, muß sich am »Phänomen« – das Heidegger im Anschluß an Husserl als das »Sich-an-ihm-selbst-zeigende« oder als das »Offenbare« bestimmt – die »Sache selbst« in originärer Gegebenheit und eben damit die Wahrheit einer Aussage ausweisen lassen. Danach ist »die
Wahrheit
als Korrelat eines identifizierenden Aktes ein
Sachverhalt
, und als Korrelat einer denkenden Identifizierung
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