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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Tietz
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Rassenzüchtung charakterisiert, in denen die verabsolutierte Zweckrationalität »der Durchrechnung alles Handelns und Planens« zum Ausdruck kommt. Diese gründet in jenem spezifisch neuzeitlichen Seinsverständnis, das sich seit der Neuzeit beständig radikalisiert hat. Die Neuzeit, deren Seinsverständnis durch den epochalen Einschnitt der cartesianischen Bewußtseinsphilosophie auf den Weg gebracht wird, bestimmt sich nach Heidegger »dadurch, daß der Mensch Maß und Mitte des Seienden wird. Der Mensch ist das allem Seienden, d. h. neuzeitlich aller Vergegenständlichung und Vorstellbarkeit Zugrundeliegende, das subiectum.« (GA 6.2, 51) Mit Descartes, der in der Mitte zwischen Protagoras und Nietzsche steht, wird die Subjektivität des Selbstbewußtseins als die zweifelsfreie Grundlage des Vorstellens zur letzten zweifelsfreien Instanz, die alles Seiende in eine subjektive Welt vorgestellter Objekte und die Wahrheit in subjektive Gewißheit verwandelt.
    Für Heidegger ist die Metaphysik der Neuzeit »Metaphysik der Subjektivität«, an deren Anfang Descartes und an deren Ende Nietzsche steht. Descartes hat den metaphysischen »Grund« gelegt, von dem sich auch Nietzsche trotz allem anticartesianischen Furor nicht zu lösen vermochte. Nun kreist der Mensch als das »animal rationale« nur noch um sich selbst. Der christliche Gott wird durch den cartesianischen Zweifel aus seinem Himmel vertrieben und vom sich gottgleich denkenden Menschen ersetzt, der im Verbund mit Wissenschaft und Technik alles unter seine Verfügungsgewalt zu bringen sucht. »Wissen ist Macht« lautet fortan die Parole der sich ihrer selbst gewissen Subjektivität. Ihre Selbststeigerung bezahlt sie mit einer »Heimatlosigkeit«, die »in der Seinsverlassenheit des Seienden« gründet. »Damit beginnt geschichtlich die ›Kultur‹ als das Gefüge des seiner selbst [137] gewissen, auf seine eigene Selbstsicherung bedachten Menschentums.« (GA 6.2, 386)
    Dieses neuzeitliche Seinsverständnis, das alle normativen Orientierungen in die Machtansprüche einer auf Selbststeigerung versessenen Subjektivität zerlegt, haben Hegel und Nietzsche auf je unterschiedliche Weise auf den Begriff gebracht. Mit ihnen ist die Metaphysik als »Metaphysik der Subjektivität« in das Stadium ihrer Vollendung eingetreten. »In Hegels Metaphysik wird die spekulativ-dialektisch verstandene rationalitas bestimmend für die Subjektivität, in Nietzsches Metaphysik wird die animalitas (Tierheit) zum Leitfaden. Beide bringen, in ihrer wesensgeschichtlichen Einheit gesehen, die rationalitas und die animalitas zur unbedingten Geltung«. (GA 6.2, 178) Steht am Anfang der abendländischen Metaphysik der Homo-mensura-Satz (»Der Mensch ist das Maß aller Dinge«), so an deren Ende der Satz: »Homo est brutum bestiale. Nietzsches Wort von der ›blonden Bestie‹ ist nicht eine gelegentliche Übertreibung, sondern das Kennzeichen und Kennwort für einen Zusammenhang, in dem er wissend stand, ohne seine wesensgeschichtlichen Bezüge zu durchschauen.« (GA 6.2, 178)
    Zwar stellte sich Nietzsche mit seiner Losung vom Tod Gottes und dem Nihilismus gegen diese Metaphysik der Subjektivität, die immer auf eine ontologisch formulierte Transzendenz ausgerichtet gewesen sei. Gleichwohl steht er noch jenseits der Grenze zu einem nach-metaphysischen Denken. Denn er habe seine eigene Philosophie lediglich als eine »Umkehrung des Platonismus« verstanden. Aber jede »Umkehrung eines metaphysischen Satzes bleibt ein metaphysischer Satz« (GA 9, 328). Heidegger attestiert Nietzsche, daß er zu den wenigen gehört, die überhaupt ein Gespür für diese Grundbewegung des abendländischen Denkens gehabt haben. Mit seiner »Umwertung aller Werte« ist Nietzsche dem bisherigen Nihilismus entgegengetreten – seine Formel vom »Willen zur Macht« ist der exemplarische Ausdruck dieser Gegnerschaft. Dennoch verkörpert er nicht das wirklich Neue [138] gegenüber der abendländischen Metaphysik und ihrem nihilistischen Grundzug, vielmehr steht er auf dem Gipfel ihrer Vollendung. Denn auch für ihn noch gilt: »Solange der Mensch das animal rationale bleibt, ist er das animal metaphysicum.« (GA 9, 367)
    Durch Nietzsche werden jedoch die denkerischen Kräfte aufgedeckt und in Gang gesetzt, die im 20. Jahrhundert zur »planetarischen« Wirksamkeit gelangten. Nietzsche hat den schwachen und verschämten Nihilismus der gesamten abendländischen Geschichte entlarvt und in den starken und offenen

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