Heidegger - Grundwissen Philosophie
zur Metaphysik, insofern es hier wie dort die neuzeitliche Subjektivität sein soll, die selbstreflexiv einen Ausweg aus einer ausweglosen Situation aufzeigen soll. Carnap und Adorno bleiben nach Heidegger noch in der Kritik der Metaphysik an deren Voraussetzungen gebunden: an die neuzeitliche Subjektivität.
»Ein Denken, das an die Wahrheit des Seins denkt, begnügt sich zwar nicht mehr mit der Metaphysik: aber es denkt auch nicht gegen die Metaphysik. Es reißt, um im Bild zu sprechen, die Wurzel der Philosophie nicht aus. Es gräbt ihr den Grund und pflügt ihr den Boden. Die Metaphysik bleibt das Erste der Philosophie. Das Erste des Denkens erreicht sie nicht.« (GA 9, 367) Nach Heidegger muß das Denken, das die ontologische Differenz als Leitfaden nimmt, auf eine Erkenntniskompetenz zurückgreifen, jenseits der Selbstreflexion und jenseits des diskursiven Denkens aufgestellt sein. Dies wäre ein Denken, das sich nicht nur nicht in dem durch die Subjektphilosophie vorgezeichneten Seinsverständnis der Moderne bewegt, [143] sondern das aus dem Bannkreis des Objektivismus herausgetreten ist und sich der Notwendigkeit eines anderen Anfangs stellt. Daß ein solches Denken in den Wissenschaften keinen Bündnispartner mehr finden kann, versteht sich von selbst. Denn: »die Wissenschaft denkt nicht« (GA 7, 133). Sie forscht, ergründet und berechnet lediglich das Seiende, nie aber das Sein.
Das anfängliche Denken als das Denken eines anderen Anfangs
Heidegger sucht nach einem Denken, das »strenger ist als das begriffliche« (GA 9, 357). Es ist das Denken eines anderen Anfangs, von dem er sich die Rettung verspricht. Die Rettung, so sie denn überhaupt kommt, vollzieht sich aber nicht mehr aus dem Denken, sondern nur noch aus dem Sein. Der Grund hierfür lautet: »Das Denken
vollbringt
den Bezug des Seins zum Wesen des Menschen. Es macht und bewirkt diesen Bezug nicht.« Der Bezug wird vom Sein selbst gestiftet, das damit den Platz eines subjektlosen Erzeugers einnimmt. Denn das ursprüngliche Denken entspringt »dem Sein selbst«, »um so dem Sein als solchem zu entsprechen« (GA 9, 368). Die »Vergessenheit des Seins«, die Heidegger auch als den »metaphysisch-nihilistischen Grundzug« des gegenwärtigen Zeitalters beschreibt, kann auf den ausgeschrittenen Bahnen der Metaphysik nicht kuriert werden. Deshalb gelte es, von den ewigen Überwindungen »abzulassen und die Metaphysik sich selbst zu überlassen« (SD 25).
Die Geschichte der abendländischen Metaphysik beschreibt Heidegger also unter zwei Aspekten: einerseits unter dem Aspekt ihrer Vollendung und andererseits unter dem einer möglichen Umkehr. Dabei bleibt offen, inwieweit die »Vorzeichen« in ein Denken führen, das jenseits der Metaphysik liegt. Klar jedoch ist, daß Heidegger die Vollendung der [144] Metaphysik als den Ort der »Unentschiedenheit« interpretiert, »ob das Seiende in seinem Vorrang beharrt« oder ob »in ihr als einem Äußersten der Verbergung des Seins schon die Entbergung dieser Verbergung und so der anfänglichere Anfang sich lichtet« (GA 6.2, 430). Die Gegenwart erscheint dergestalt als Zeit der Krise, über die das endgültige Urteil noch nicht verhängt ist. Sie steht unter dem Druck der Entscheidung, »ob diese Endzeit der Abschluß der abendländischen Geschichte sei oder das Gegenspiel zu einem anderen Anfang« (GA 6.1, 431). Es ist die Frage, ob »das Abendland sich noch zutraut, ein Ziel über sich und der Geschichte zu schaffen, oder ob es vorzieht, in die Wahrung und Steigerung von Handels- und Lebensinteressen abzusinken und sich mit der Berufung auf das Bisherige, als sei dies das Absolute, zu begnügen« (GA 6.1, 521).
Ein anderer Anfang muß her, ein Anfang, der dem Leben der Menschen wieder Maß und Sinn geben soll. Dazu ist nach Heidegger ein Denken erforderlich, das die griechische Erfahrung in ihrem ursprünglichen Sinne freizulegen in der Lage ist, mithin ein Denken, das die Sprache der Metaphysik nicht mehr wiederholt, sondern überwunden hat. Wie Heidegger in Auseinandersetzung mit Ernst Jünger (1895–1998) deutlich macht, stirbt »die Frage nach dem Wesen des Seins […] ab, wenn sie die Sprache der Metaphysik nicht aufgibt, weil das metaphysische Vorstellen es verwehrt, die Frage nach dem Wesen des Seins zu denken« (GA 9, 405). Denn die »Sprache der Metaphysik und die Metaphysik selbst« bilden eine Schranke, »die einen Übergang über die Linie, d. h. die Überwindung des Nihilismus verwehrt« (GA
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