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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Tietz
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wird nicht mehr als der Horizont von Sein ausgegeben, sondern »verweist auf die Unverborgenheit, das heißt die Wahrheit des Seins […]. So wird Zeit der erst zu bedenkende Vorname für die allererst zu erfahrene Wahrheit des Seins.« (GA 9, 376 f) Heidegger, der hier noch die Sprache der Metaphysik spricht, meint, daß die Zeit als Wahrheit des Seins selbst erst noch zu bedenken wäre.
    Dies aber erscheint ohne eine neue Konzeption des Daseins nicht möglich. Dessen Vollmachten werden daher in den [132] folgenden Jahren in dem Maße eingeschränkt, wie dem Sein Vollmachten zugesprochen werden. Nun behauptet Heidegger: »Da-sein heißt: Hineingehaltenheit in das Nichts. Sich hineinhaltend in das Nichts ist das Dasein je schon über das Seiende im ganzen hinaus. Dieses Hinaussein über das Seiende nennen wir Transzendenz.« (GA 9, 115) Heidegger fragt hier also noch wie die Tradition über das Seiende hinaus, aber er antwortet nicht mehr wie diese. Denn die Überschreitung führt bei ihm schnurstracks in das Nichts, in welches das Dasein nun hineingehalten ist. Die heroische Entschlossenheit von
Sein und Zeit
weicht damit einer Position, in der das Dasein zum angstdurchzitterten Platzhalter des Nichts wird. Zwar ist hier der Mensch noch nicht der »Hirt des Seins«, wie Heidegger später seine Position zusammenfassen wird, er ist jedoch auch nicht mehr jenes Dasein, das sich im Modus der Eigentlichkeit aktivisch auf seine Möglichkeiten hin entwirft.
    Das Dasein ist nun in das Nichts »hineingehalten«. Und dabei kommt es in den »Anspruch« des Seins. Von hier ist es dann nur noch ein kleiner Schritt zu der These, daß der Mensch als der »Hirt des Seins« verstanden werden müsse, der »in die Wahrnis seiner Wahrheit gerufen« wird. (GA 9, 342) Nachdem sich die Unheimlichkeit Nichts aufgelöst hat, in dessen Abgründe man nach Heidegger mindestens einmal geschaut haben muß, um überhaupt zu begreifen, daß etwas ist, und nicht vielmehr nichts ist, bekommt das Sein plötzlich huldvolle Züge. Der Mensch wird aus seinem Sündenfall in das Uneigentliche herausgerissen und befindet sich nun in der unmittelbaren Nachbarschaft zum Sein. So wird nun dem Menschen, der im Verlauf seiner abendländischen Geschichte diese Nachbarschaft fast schon vergessen hatte, eines wieder klar: Er »ist der Nachbar des Seins« (GA 9, 342).
    Beim Sein angekommen, wiederholt sich so der Weg von
Sein und Zeit
dahingehend, daß es nun nicht mehr die Odyssee des je-meiniglichen Daseins in seiner Verfallenheit an das Uneigentliche ist, die dargestellt wird, sondern die Verfallsgeschichte des Seins selbst. Und in diesem Sinn läßt sich dann [133] auch die Kehre als ein Versuch verstehen, »den Ansatz der Frage in ›Sein und Zeit‹ einer immanenten Kritik zu unterwerfen«, um in einen anderen Bereich vorzustoßen, der dem der Metaphysik versagt bleiben muß. Dazu muß jedoch die »ganze Analytik ursprünglicher und in ganz anderer Weise wiederholt werden«, eben vom Sein aus.
Metaphysik und Metaphysikkritik
    Die Kehre, die vom Dasein zum Sein führt, führt damit auch zur Metaphysik und ihrer Kritik, oder, wie Heidegger sagen wird: zu ihrer »Verwindung« zurück, da dieses Sein von der Metaphysik seit Platon und Aristoteles immer schon verfehlt wird. Und hierfür gibt es einen einfachen Grund: »Die Metaphysik denkt, insofern sie stets nur das Seiende als Seiendes vorstellt, nicht an das Sein selbst.« (GA 9, 367) Die gegenstandstheoretische Orientierung der Metaphysik verstellt den Bereich, in den Heidegger hineinfragen will, den Bereich, der in ein anfängliches Denken im Sinne eines Denkens eines anderen Anfangs führt.
    Heidegger will nicht als Metaphysiker über die Metaphysik sprechen, sondern er ist als der, der eine metaphysische Frage stellt, »in der Frage mit da, d. h. in die Frage gestellt« (GA 9, 103). In der zur 5. Auflage des Vortrages »Was ist Metaphysik?« geschriebenen Einleitung aus dem Jahre 1949 behauptet er, daß dies der einzige Weg sei, um »in den Grund der Metaphysik« zurückzukehren. (GA 9, 367) Heidegger stellt also die Frage nach dem Wesen der Metaphysik durchaus noch traditionell, aber er antwortet nicht mehr traditionell, daß das Wesen der Metaphysik darin bestehe, nach dem Allgemeinen und Unveränderlichen zu fragen. Vielmehr gelte es, den »Sinn von Sein« aus der Endlichkeit des menschlichen Daseins und so aus dem Horizont der Zeit zu erfahren – ein in der Geschichte der Metaphysik wirklich neuer

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