Heidelberger Lügen
versetzen und dort ein Dienstverfahren gegen ihn zu eröffnen.
Ungefähr zur selben Zeit begannen Kriegel und McFerrin mit ihrem Projekt. War es das? Ging es um die Entschlüsselung von Daten, um das Entziffern geheimer Nachrichten? Plötzlich war mir kalt. Jetzt erst merkte ich, dass die Sonne seit einiger Zeit hinter dunklen Wolken verschwunden war. Ein böiger Wind war aufgekommen. Ich leerte mein Saftglas, suchte die Zeitung zusammen, die der Wind über den Balkon verstreut hatte, und ging hinein.
Rasch kamen die Wolken näher, bald musste ich sogar die Schreibtischleuchte einschalten. Ich beugte mich wieder über meine Skizze. Hörrle und McFerrin, Hörrle und Kriegel, dieses geheimnisvolle Projekt, von dem sie sich Reichtümer versprachen. Das Fenster klapperte leise, wenn eine Bö das Haus traf.
Es war die einzige logische Erklärung: Kryptologie. Rund um die Welt tobte seit Jahren, Jahrzehnten, der Wettstreit zwischen jenen, die alles daransetzten, gewisse Dinge geheim zu halten, und der anderen Fraktion, deren Bestreben es war, Geheimnisse zu lüften, die sie nichts angingen. Zuallererst waren es natürlich die Militärs, die Geheimdienste, aber ebenso Banken, Firmen, sogar Privatpersonen, die im Internet ihre Kreditkartennummer preisgaben. Auf der anderen Seite standen die, die keine Mühe scheuten, die letzten Erfolge der Kryptologen wieder aufzuholen, die jeweils aktuellen Codes in Windeseile zu knacken. Kaum war ein neues Verfahren gefunden, die Datenübertragung ein wenig sicherer zu machen, schon standen die notwendigen Werkzeuge bereit, um diesen Erfolg wieder zunichte zu machen.
Es konnte nicht anders gewesen sein. Nur so erklärten sich die Geheimnistuerei und das viele Geld, das im Spiel war. Kriegel und McFerrin mussten an etwas gearbeitet haben, was die zweite Partei in diesem endlosen Reigen in Vorteil brachte, die heimlichen Mithörer und -leser, die Schnüffler und Spione. Aber so einfach war die Sache natürlich nicht. Die Mithörer waren keineswegs immer die Bösen. Auch wir, die Polizei, benutzten diese Techniken, wenn wir die Handygespräche irgendwelcher Finsterlinge abhörten. Das BKA beschäftigt eine ganze Abteilung hoch qualifizierter Fachleute, um mit der Unterwelt Schritt zu halten, vor allem mit der organisierten Kriminalität, die uns ständig um mehrere Nasenlängen voraus war.
Hörrle hatte Kriegel und McFerrin, sicherlich gegen gute Bezahlung, unterstützt, indem er ihnen die neuesten Unterlagen der NATO beschaffte.
Mein Handy wollte heute keine Ruhe geben. Die Verbindung war sehr schlecht, und erst nach einigem Nachfragen verstand ich, dass ich mit Gianfranco Trapatino aus Kiew sprach. Leider wusste er über Kriegels Projekt herzlich wenig.
»Das haben Sören und Dean komplett alleine durchgezogen. Wir, also Moritz und ich, mussten uns um den Rest kümmern und den Herren den Rücken freihalten.«
»Sie wissen also überhaupt nichts darüber?«
»Bloß, dass sich eine Menge Leute mächtig dafür interessieren würden. Das hat Sören immer wieder gesagt: Wenn das hinhaut, Jungs, dann …«
Seine letzten Worte verloren sich in Rauschen und Knacksen.
»Könnte es sein, dass sonst jemand Bescheid wusste? Die Sekretärin vielleicht?«
»Wie? Ich versteh Sie so schlecht.«
Ich wiederholte meine Frage.
»Ilsebilse? Nee, die bestimmt nicht. Die kann ja kaum mit einem PC umgehen. Aber da ist ein paar Mal einer in Uniform da gewesen. Den Namen hab ich nie gehört. Immer abends. Und dann war da auch zwei-, dreimal so ein Typ in teuren Klamotten. Hinterher hat die ganze Firma immer nach seinem Rasierwasser gestunken wie sonst was. Der ist auch immer abends gekommen, immer nach acht, wenn sie dachten, Moritz und ich sind weg.«
»Woher wissen Sie dann davon?«
»Das kann ich Ihnen sagen. Wir hatten Sorge, dass Sören uns linkt. Zeitweise haben wir ja monatelang kein Gehalt gekriegt, während er dauernd Geld für neue Computer ausgegeben hat und so Sachen. Und da haben wir natürlich ein bisschen die Augen aufgesperrt, was so abgeht. Damit wir am Ende nicht als die Angeschissenen dastehen.«
»Dieser Mann mit dem Rasierwasser, können Sie den beschreiben?«
»Dass der Kohle hat, hat man gesehen. Maßanzüge, ein dicker Lancia, die Armbanduhr ungefähr so viel wert wie mein Auto. Wie hat er ausgesehen? Einsachtzig groß, ziemlich kräftig, fast Vollglatze. Alter – so zwischen fünfzig und sechzig, würd ich sagen.«
»Können Sie sich noch an die Farbe des Lancia
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