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Heidelberger Lügen

Heidelberger Lügen

Titel: Heidelberger Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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starken Farben, zum Teil Originale, wie Theresa mir erklärte. Ich hatte gar nicht gewusst, dass sie etwas von Kunst verstand.
    Später unterhielt ich mich mit ihr über die Wirtschaftslage und unsere immer bedrückender werdende Arbeitslosigkeit, während Liebekind mit meinen Töchtern schäkerte, sich ernsthaft für die gerade aktuellen Teeny-Moden interessierte und die Musik, die sie mochten. Erstaunlich vieles davon schien er zu kennen. Im Zweifelsfall sangen sie ihm Passagen vor, was natürlich zu viel Heiterkeit Anlass gab. Inzwischen war ich mir wieder sicher, dass er nichts von meiner Beziehung zu seiner Frau ahnte.
    Einmal, als ich von der Toilette kam, zwinkerte Theresa mir zu. Mit dem Auge, das ihr Mann nicht sehen konnte. Dass auch meine Töchter anwesend waren, hatte sie vielleicht für einen Moment vergessen. Ich meinte, meine Zwillinge Blicke tauschen zu sehen. Aber ich war mir nicht sicher. Sie ließen sich nichts anmerken.
    Kurz bevor Gesprächsstoff und Wein zu Ende gingen, rettete mich mein Handy. Wieder war es Vangelis.
    »Schiebt Hörrle immer noch Möbel durchs Haus?«
    »Im Gegenteil. Seit einer halben Stunde ist es mäuschenstill da drin. Das gefällt mir alles ganz und gar nicht. Irgendwas ist auf einmal anders als sonst. Ich fürchte, er hat etwas vor. Es wäre schön, wenn Sie kommen könnten. Das SEK ist schon seit einer halben Stunde da.«
    Liebekinds hatten natürlich Verständnis für meine Situation. Theresa bemitleidete mich in bewegten Worten, hielt lange meine Hand und sah mir tief in die Augen.
    »Eine hübsche Brille tragen Sie, Herr Gerlach«, sagte sie am Ende. »Die habe ich ja noch gar nicht an Ihnen gesehen. Ist die etwa neu?«
    Bei unserem nächsten Treffen würde ich sie wohl wirklich erwürgen müssen. Ich musste mich beherrschen, sie beim Abschied nicht zu küssen.

20
    Nachdem ich meine Töchter zu Hause abgesetzt hatte, kam ich wieder ins Grübeln. Noch einmal ging ich Hörrles Optionen durch. Es gab drei: Selbstmord, einen gewaltsamen Ausbruch oder die Aufnahme von Verhandlungen. Letztere wäre unsere Chance. Er würde einen Fluchtwagen verlangen und Geld, vielleicht seiner Tante eine Waffe an den Kopf halten und sie als Deckung vor sich herschieben. Aber um so weit zu kommen, musste er erst einmal Verbindung mit uns aufnehmen, seine Forderungen stellen. Dass ein gewaltsamer Ausbruchsversuch sinnlos war, würde auch ihm klar sein.
    In dem Augenblick, wo er uns anrief, konnte das übliche Spiel beginnen. Für diesen Fall saß ja seit Tagen dieser ständig gähnende Doktor der Psychologie in Wieblingen herum: um Hörrle Versprechungen zu machen, ihn hinzuhalten, wieder und wieder zu vertrösten, mürbe zu quatschen, immer wieder neue Zusagen zu machen, die dann aus irgendwelchen Gründen leider doch nicht eingehalten werden konnten. Diese Spezialisten vom LKA waren geschult, Menschen wie Hörrle am Telefon um den Verstand zu bringen, sie so lange zu verwirren, bis sie nicht mehr ein noch aus wussten und froh waren, wenn man ihnen Handschellen anlegte.
    Runkel hatte noch immer nicht geduscht. Der Geruch in unserem Kastenwagen war inzwischen unerträglich und erinnerte an einen Ziegenstall. Aber Vangelis quälten im Augenblick andere Sorgen.
    »Ich fürchte, er plant doch einen Ausbruch«, meinte sie mit gepresster Stimme.
    Zusammen sahen wir uns noch einmal den Lageplan an.
    »Auf der Uferstraße kommt er keine fünfzig Meter weit«, überlegte sie. »Dann läuft er unseren Leuten in die Arme. Das ist vollkommen sinnlos.«
    »Und auf der anderen Seite genauso.« Ich lehnte mich zurück und überlegte. Schließlich schüttelte ich den Kopf. »Nein. Er kommt da nicht raus, und das weiß er auch. Er muss etwas anderes vorhaben.«
    Sie schlug auf den Tisch und schnaubte wütend.
    »Hat er inzwischen das Telefon benutzt?«, fragte ich.
    »Das ist immer noch ausgesteckt. Es gibt auch kein Handy dort drin. Jedenfalls haben die Jungs von der Telekom mit ihren Messgeräten keines entdecken können. Er hat keinerlei Kontakt nach außen aufgenommen außer dieses eine Mal …«
    »Als er mich angerufen hat«, ergänzte ich ihren leisen Vorwurf.
    Ich befürchtete etwas anderes als meine Untergebene. Mir machte die Vorstellung Sorgen, Hörrle könnte den angedrohten spektakulären Selbstmord planen. Irgendein Drama, bei dem er möglichst viele Menschen mit in den Tod riss. Er saß in der Falle und hatte nichts mehr zu verlieren. Alles andere war unwahrscheinlich, unmöglich,

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