Heidelberger Lügen
erinnern?«
»Aber klar. Silbermetallic.«
»Das Kennzeichen?«
»Keine Ahnung. Nichts Auffälliges. Vermute, der war aus der Gegend von Heidelberg.«
»Haben Sie eine Vorstellung, wie dieser Mann ins Spiel passt?«
»Moritz und ich haben natürlich darüber geredet. Man wusste, die Firma steckt in Problemen, und sah zu, dass man kriegte, was einem zustand. Wir waren uns einig, der hat Geld investiert … Nachdem …«
Wieder war die Verbindung kurz unterbrochen. Dann war Trapatinos Stimme plötzlich wieder ganz klar: »… wieder Gehälter bezahlt. Auf einmal war wieder Geld da. Vorher hat’s ja so ausgesehen, als …«
Meine nächste Frage musste ich zwei Mal wiederholen: »Sie wissen nicht zufällig, wo Ihr ehemaliger Kollege Meyers steckt? Er ist in Skiurlaub, habe ich gehört, aber wir können ihn einfach nicht auftreiben.«
»Moritz?«, lachte Trapatino. »Der kann doch überhaupt nicht Ski fahren! Der hat doch …«
Nun brach die Verbindung endgültig ab.
Ich nahm meinen Bleistift wieder zur Hand, zeichnete ein weiteres Kästchen auf meine Skizze, beschriftete es mit drei hübschen Fragezeichen und begann dann, alle Personen durchzustreichen, die als Mörder nicht infrage kamen. Kriegel und McFerrin waren tot. Nach einigen Telefonaten strich ich auch Trapatino durch. Seine Frau nannte mir den Namen seines Vorgesetzten bei der Heidelberger Druck und wusste sogar, wo der ungefähr wohnte. Die Nummer fand ich im Telefonbuch. Er schien es gewohnt zu sein, durch das Telefon in seiner Wochenendruhe gestört zu werden, und bestätigte mir, dass Gianfranco Trapatino sich seit sechs Wochen in Kiew aufhielt und in dieser Zeit keinen einzigen Tag bei der Arbeit gefehlt hatte. Auch im Juli letzten Jahres war er im Ausland gewesen, damals in Malaysia.
Übrig blieben Moritz Meyers, Ilsebilse Lehrmann und dieser Unbekannte mit Geld und aufdringlichem Rasierwasser. Eine Frau kam für den Mord an McFerrin kaum infrage. Man musste schon über beträchtliche Kraft verfügen, um einem Mann von seiner Statur mit bloßen Händen das Genick zu brechen.
Per Telefon beorderte ich eine Streife nach Schlierbach, wo Moritz Meyers wohnte. Vielleicht wusste ja jemand in der Nachbarschaft etwas über seinen Verbleib. Wenn wir ihn in zwei Stunden immer noch nicht geortet hatten, nahm ich mir vor, dann würde ich eine Suchmeldung an die Öffentlichkeit veranlassen. Entweder er war das dritte Opfer, dann würden wir irgendwann seine Leiche finden, oder aber er war der gesuchte Mörder.
Die Wohnungstür fiel zu, ich hörte die Stimmen meiner Töchter. Halb sieben. Zeit, mich umzuziehen. Zeit für die Einladung, die ich schon wieder erfolgreich verdrängt hatte.
Erst war alles gar kein Problem. Theresa tat, als freute sie sich über die Blumen, Liebekind studierte mit Wohlwollen das Etikett der mitgebrachten Weinflasche, meine Mädchen gaben sich so erwachsen und selbstsicher, dass ich sie kaum wiedererkannte. Theresa hatte den ganzen Nachmittag in der Küche verbracht, wie sie aufgeräumt erzählte, ohne mir dabei ein einziges Mal in die Augen zu sehen, und bald saßen wir am Tisch. Es gab eine riesige Auswahl an warmen und kalten Kleinigkeiten, sodass sogar meine Mädchen begeistert waren. Auf Liebekinds Fragen nach der Schule gaben sie ernsthafte Antworten, und ich staunte immer mehr über die beiden. Heute sah ich sie aus einem ganz neuen Blickwinkel. Auf einmal waren sie wirklich keine Kinder mehr, wie sie so hartnäckig behaupteten, sondern kluge, sympathische heranwachsende Mädchen, die eine offenbar gar nicht so üble Erziehung genossen hatten und sich vor Fremden selbstsicher und ungekünstelt zu benehmen wussten.
Vorsichtshalber hielt ich mich beim Wein zurück. Erstens, weil ich in Wieblingen jederzeit gebraucht werden konnte. Und zweitens, weil ich so nicht Gefahr lief, mich zu verplappern. Letzteres behielt ich natürlich für mich. Hin und wieder, wenn ich von Theresa einen schelmischen Blick aus den Augenwinkeln auffing, wurde mir heiß. Aber es gelang mir meist, an ihr vorbei oder durch sie hindurchzusehen. Wenn gar nichts half, fixierte ich das silberne Medaillon an ihrem Hals mit dem grünen Stein, der so hervorragend zu ihrer Augenfarbe passte. Jedes Mal, wenn sie wegen der Blumen niesen musste, trat sie unter dem Tisch gegen mein Schienbein.
Die Wohnung war ziemlich genau so, wie ich mir sie vorgestellt hatte. Unaufdringlich modern, nicht überladen, kein unnötiger Krimskrams, schöne moderne Bilder mit
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