Heidelberger Requiem
nervenzermürbend langweilig und zeitraubend. Und wenn man nicht aufpasst, dann legt man genau eine Aussage zu viel ab.
Klara Vangelis trug wie gestern ein maßgeschneidertes Kostüm und hatte eine strenge Miene aufgesetzt.
»Ich hab hier was.« Sie schob mir ein eng beschriebenes Protokoll über den Tisch. »Ein Zeuge hat ungefähr zur Tatzeit ein Motorrad zu diesem Hochhaus hinauffahren sehen. Wir haben eine ganz ordentliche Beschreibung und sogar die Zulassungsnummer. Laut Aussage ist die Maschine etwa um Viertel vor acht hinaufgefahren und eine gute Stunde später wieder zurück.«
Ich nickte ihr anerkennend zu. »Und wem gehört dieses Motorrad?«
»Es handelt sich um eine Yamaha FZR, zugelassen auf einen gewissen Fitzgerald Gardener«, erwiderte sie, ohne eine Miene zu verziehen.
»Fitz?«, fragte ich. »Das ist ja interessant!«
Sie hob ihre hübschen, dunklen Brauen leicht an. »Der Halter muss nicht zwingend der Fahrer sein.«
»Den Burschen schreiben wir auf jeden Fall mal ganz oben auf die Liste«, entschied ich. »Wissen wir schon, wo er wohnt?«
Vangelis schüttelte den Kopf. »Offiziell gemeldet ist er mit einer Adresse im Pfaffengrund. Aber da scheint nur seine Mutter zu wohnen, soweit wir bisher wissen.«
»Diese Adresse hätte ich gerne.«
Sie machte sich eine Notiz.
Balke hatte zusammen mit einem anderen jungen Kollegen Grotheers PC durchforstet, seine Mails gelesen, jedes Dokument studiert und war seinen Spuren im Internet gefolgt. Sie hatten ihren Spaß damit gehabt, denn es war eine Menge nicht Jugendfreies dabei gewesen. Alle Adressen und Inhalte hatten sie pflichtschuldig notiert. Grotheers Mails seien langweilig, hörte ich, vielversprechend dagegen sein Anrufbeantworter, der in den Tagen nach seinem Tod nicht weniger als neunundzwanzig Anrufe aufgezeichnet hatte. Eine Liste der in seinem Handy gespeicherten Nummern lag ebenfalls vor. Alles in allem schienen knapp zwanzig Personen zu seinem engeren Bekanntenkreis zu zählen.
»Eines ist allerdings komisch«, sagte Balke. »Laut seinen Kontoauszügen hat er noch ein zweites Handy, und dessen Rechnung ist zigfach höher als die von dem, was wir gefunden haben.«
»Und dieses zweite Handy ist verschwunden?«
Er nickte. »Entweder geklaut oder vielleicht in seinem Zweitwagen.«
»Oder in diesem Drogenlabor, von dem wir noch nicht mal wissen, ob es wirklich existiert.«
Die Spurenlage am Tatort war deprimierend. Unsere Spezialisten hatten mit ihren technischen Zaubermittelchen noch ein paar weitere verwischte Fußabdrücke gefunden. Die Spur führte aus der Wohnung bis zum Lift und hörte dort plötzlich auf. Merkwürdigerweise zeigten diese Abdrücke keinerlei Profil.
»Überzieher vielleicht«, meinte Runkel, ein sonst eher schweigsamer älterer Kollege. »Wir haben doch auch so Dinger, die wir über die Schuhe streifen, bevor wir einen Tatort betreten.«
Runkel war eine unscheinbare, magere Gestalt mit früh gebeugtem Rücken und überhaupt nicht zum Körperbau passendem breitem Bernhardinergesicht. Balke hatte mich zuvor darüber aufgeklärt, dass Runkel erst im Alter von sechsundvierzig Jahren geheiratet hatte. »Eine Philippinin. Ungefähr hundert Kilo und gnadenlos hässlich! Echt das ekligste Weib, das ich je gesehen habe«, hatte er mir mit gesenkter Stimme und ausladenden Bewegungen erklärt.
»Wie ist er denn an die gekommen?«
»War auf einmal da. Bums. Drei Wochen später hat er einen Ring am Finger gehabt.«
»Aha.«
»Genau.«
Und nun machte unser stiller Kollege seiner Angetrauten gewissenhaft alle achtzehn Monate ein Kind. Derzeit arbeite man an Nummer fünf, hatte Balke mir anvertraut.
»Und im Aufzug hat er die Dinger einfach abgestreift und in die Tasche gesteckt. Und später irgendwo in die Tonne geschmissen.«
Ich nickte Runkel anerkennend zu. Er strahlte und sah sich um, ob sein Erfolg auch gebührend gewürdigt wurde. Balke gähnte, ohne die Hand vorzuhalten.
Der Lappen, mit dem der Täter sein Opfer geknebelt hatte, schien unsere einzige konkrete Spur zu sein. Derzeit wurde er im Kriminaltechnischen Labor des LKA massenspektroskopisch untersucht. Da er sehr schmutzig war, erhofften wir uns davon eine Menge.
Frau Doktor Steinbeißer, die leitende Oberstaatsanwältin, war eine Sitzgröße. Zu meiner Überraschung wurde sie beim Hinsetzen eher größer als kleiner. Mit sichtlichem Widerwillen spendierte sie mir einen dünnen Kaffee und Kekse, die mindestens so trocken waren wie sie selbst. Um halb
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