Heidelberger Requiem
den AB, um den Verdacht von sich abzulenken?«
»Blöder Trick, irgendwie«, meinte Balke.
Vangelis zog eine Grimasse.
»Er wird nicht der Hellste sein«, sagte ich.
»Und die Zeit stimmt auch nicht«, fuhr Vangelis hartnäckig fort. »Grotheer hat mit einiger Sicherheit noch gelebt, als Gardener weggefahren ist.«
»Wer sagt uns denn, dass er bis zum Ende dageblieben ist?«, fragte ich.
Mit der Zungenspitze im Mundwinkel schrieb Sonja Walldorf mit. Wir warteten, bis sie aufsah.
Ich lehnte mich zurück und beglückwünschte uns zu unserem Fortschritt. »Und jetzt knöpfe ich mir diesen Fitz vor und dreh ihn durch den Wolf. Der hat noch was gut bei mir.« Ich tastete nach meiner Beule. »Er gibt zwar den harten Kerl, aber im Grunde ist er ein Waschlappen. Der Teufel soll mich holen, wenn der Fall heute Mittag nicht geklärt ist.«
Balke gähnte mit zufriedener Miene und Vangelis musterte mich mit einem nicht zu deutenden Blick.
Ich bat Frau Walldorf, Fitz Gardener ins Vernehmungszimmer bringen zu lassen, und schickte die anderen beiden weg. Dann trat ich ans Fenster und beobachtete entspannt den Verkehr, der unablässig um den Römerkreis brandete. Der Fall war gelöst. Was jetzt folgte, war Formsache. Gewaltverbrechen sind ja in aller Regel so einfach zu durchschauen. Neunundneunzig Prozent aller Tötungsdelikte sind so erschreckend banal. Nur zwei Dinge fehlten mir jetzt noch: das Motiv und die Tatwaffe. Aber das machte nichts. Selbst wenn wir dieses Messer niemals finden sollten, Gardener hatte keine Chance mehr. Und das Motiv würde er mir in Kürze erzählen.
In der Nacht hatte es wieder geregnet. Jetzt war es windig, die Wolken wirkten bedrohlich. Es war nicht mehr so heiß wie an den vergangenen Tagen.
Fitzgerald Gardener sah mitgenommen aus. Erwartungsgemäß hatte er schlecht geschlafen. Die erkennungsdienstliche Behandlung hatte er bereits hinter sich, seine jungfräuliche Akte lag vor mir auf dem schweren Holztisch.
Bandgerät und Videorekorder im Nebenzimmer liefen. Balke beobachtete uns durch die verspiegelte Scheibe und überwachte die Aufzeichnungsgeräte.
Ich klärte Gardener über seine Rechte auf, sprach Datum und Uhrzeit, den vollständigen Namen meines Gegenüber und den Anlass des Verhörs ins Mikrophon.
»Dringender Tatverdacht des Mordes zum Nachteil von Patrick Grotheer.«
Ich lehnte mich zurück, bemühte mich um eine entspannte Körperhaltung und einen siegessicheren Blick und musterte meinen Verdächtigen. Ich konnte Frau Brenneisen verstehen. Er war das genaue Gegenteil dessen, was sich eine Mutter unter einem netten Schwiegersohn vorstellt. Er erwiderte meinen Blick feindselig und kampfbereit. Der Mund war verkniffen. Ich gab ihm drei Stunden. Bis zum Essen wollte ich sein Geständnis auf Band haben. Schließlich senkte er den Blick.
Eine der besten Verhörtaktiken, die ich kenne, besteht darin, immer das zu fragen, was der andere am wenigsten erwartet.
»Wie ist Ihr Bruder gestorben?«, begann ich.
Verdutzt sah er auf. »Was soll denn der Scheiß jetzt?«
»Ist die Frage so schwer zu verstehen? Wie ist Ihr Bruder damals ums Leben gekommen?«
Ich wartete. Abwarten ist die zweitbeste Verhörtaktik, die ich kenne. Ausgiebig betastete ich meine Beule am Hinterkopf. Ein stechender Schmerz zuckte durch meinen Kopf, wenn ich sie falsch berührte. Sie hatte ungefähr die Größe einer Pflaume. Nach elf Minuten gab Gardener auf.
»Kann man hier rauchen?«, blaffte er.
»Vorläufig nicht.«
Er öffnete den Mund und hatte das »A« schon auf den Lippen, schloss ihn aber wieder.
»Fuck! Warum wollen Sie das denn wissen?«, fragte er. »Was hat denn der alte Scheiß mit Pat zu tun?«
»Weil es mich interessiert. Ganz einfach.«
Er schluckte. »Ein Laster«, sagte er rau und hustete. »Ein Tanklaster.«
»Wo?«
Er machte eine fahrige Handbewegung. »Irgendwo bei Ladenburg. Irgendwo da.«
»Wann genau war das?«
Er schloss die Augen. »Vor zwölf, dreizehn Jahren. Weiß nicht mehr so genau.«
»Wer war dabei?«
»Na, ich.«
»Wer noch?«
Lange schwieg er. »Sie wissen’s ja schon«, sagte er endlich tonlos. Hier war offenbar ein wunder Punkt, den ich ausnutzen konnte, um ihn zu quälen, weich zu kochen.
»Patrick?«, fragte ich in heiterem Plauderton.
Er nickte mit verschlossener Miene.
»Wie ist es passiert?«
»Wir … Fuck, Mann! Ich will ’ne Zigarette!«
»Immer schön eines nach dem anderen.«
»Wir haben … ’ne Radtour haben wir gemacht. Haben wir
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