Heidelberger Requiem
ihn wieder, schluckte. Dann nahm ich jedes meiner Kinder in einen Arm und drückte sie an mich.
»Habt Recht. War blöd von mir.«
»Und Paps …«
»Hm?«
»Wir wollen nicht weg. Wir wollen nicht nach Heidelberg.«
Am Mittwochmorgen scheuchte ich meine Töchter um sieben aus den Betten und lud ihnen ohne Gnade Arbeit auf. Sie sollten das Haus von oben bis unten putzen, ihre Spielsachen sortieren und alles auf einen Haufen werfen, was man wegschmeißen konnte. In spätestens zwei Wochen wollte ich umziehen. Sie taumelten benommen herum und sagten zu allem: »Ja, Paps. Klar Paps.«
Um halb neun kam der Makler zusammen mit einem jungen, blassen Paar. Die Frau war ebenso schweigsam wie schwanger, dafür redete ihr Mann umso mehr, gab sich sachverständig und verhandlungsstark, wie so viele Kerle, wenn eine Frau zuhört. Der Makler arbeitete mir in die Hände, und wir senkten den Preis nach einigem Hin und Her seufzend um die fünfundzwanzigtausend Euro, um die wir ihn zuvor heraufgesetzt hatten. Der Mann warf seiner Frau triumphierende Blicke zu, und sie himmelte ihn pflichtschuldig an. Aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie das Spiel von Anfang an durchschaute.
Frau Walldorf trug eilig mein Frühstück auf und berichtete, Klara Vangelis habe schon dreimal nach mir verlangt. Ich bat sie, sich um mein Strafmandat zu kümmern und mir, wenn möglich, eine Parkerlaubnis für die Kleinschmidtstraße zu organisieren. Sie wollte sich gleich darum kümmern und freute sich, etwas für mich tun zu können.
Ich ließ Vangelis und Balke kommen und bat meine Sekretärin dazubleiben, damit sie Protokoll führte, das Ganze am Ende tippte und an Frau Doktor Knurrhahn schickte.
»Knurrhahn?«, fragte sie mit runden Augen.
»Steinbeißer«, verbesserte ich mich. »Ist ja immerhin auch ein Fisch.«
»Wenn schon, dann Knurrhuhn«, meinte Balke grinsend.
Meine Leute brachten Neuigkeiten. Patrick Grotheer hatte am vergangenen Mittwoch um neunzehn Uhr dreiundvierzig zum letzten Mal telefoniert, mit einem knapp achtzehnjährigen Mädchen, das seine aktuelle Favoritin gewesen zu sein schien. Um Viertel nach acht hatte sie zurückgerufen, um ihm mitzuteilen, dass sie um neun am verabredeten Treffpunkt sein werde, ihn aber nicht mehr erreicht. Damit lag der Tatzeitpunkt ungefähr fest. Zwanzig Minuten später hatte ein, nach der Stimme zu schließen, junger Kerl angerufen, der seinen Namen nicht nannte. Balke spielte mir das Band vor.
»Hi, was geht denn da ab bei dir? Warum machst du nicht auf? Hab doch gehört, dass du da bist. Deine blöde Musik war ja laut genug. Guns ’n Roses, hey, seit wann hörst du denn Guns ’n Roses? Haste wieder eine von deinen Fotzen da oder was? Ruf mich an, okay?«
Der Anruf war von einem Handy gekommen. Die Stimme war die von Fitzgerald Gardener.
Zwischendurch schlug Balkes Handy Alarm. Er warf einen kurzen Blick auf das Display und schaltete es augenrollend aus.
»Die Dame von gestern?«, fragte ich lächelnd.
Sorgenvoll schüttelte er den Kopf. »Die von Sonntag.«
»Der war da oben über eine Stunde«, warf Vangelis ein, »und dann ruft er ihn an und beschwert sich, er hätte ihn nicht angetroffen? Was hat er da so lange getrieben, wenn er gar nicht bei Grotheer war?«
»Vielleicht ein Trick?«
Balke wedelte mit einem Blatt herum. »Ich hab mit diesem Mädchen geredet, das Grotheer an dem Abend treffen wollte. Gardener und Grotheer haben sich bis vor einem halben Jahr regelmäßig getroffen, sagt sie. Irgendwelche Deals hätten sie zusammen gemacht. Mehr weiß sie auch nicht. Nur, dass da irgendwas gelaufen ist.«
»Das ist doch schon eine ganze Menge«, meinte ich. »Wenn sie unter einer Decke stecken, hat Gardener möglicherweise ein Motiv für den Mord. Grotheer wird ihn vielleicht ausgebootet haben, um das Geschäft zukünftig allein zu machen, und Gardener hat ihm das übel genommen.«
»Okidoki.« Balke beugte sich vor. »Es kommt noch besser: Dieser Lappen, den Grotheer im Mund gehabt hat, an dem haben die Leute im Labor unter anderem Spuren von Motorenöl gefunden. Und Lackspuren, die zu Gardeners Yamaha passen könnten. Die Analysen sind noch nicht ganz fertig. Aber es sieht verdammt gut aus.«
»Dieser Anruf«, warf Vangelis missmutig ein. »Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Wenn er der Täter ist, warum um Himmels Willen sollte er ihn dann später anrufen?«
»Tarnung«, schlug ich vor. »Er bringt ihn um, ruft ihn anschließend an und spricht ihm auf
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