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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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hommes«, las er mühsam und mit komplett falscher Aussprache von seinem Zettel ab. Das brachte uns auch nicht weiter. Ob es sich hierbei wirklich um die Stiftung handelte, an die Grotheer sein Geld überwies, hatte er bisher nicht herausfinden können.
    Wir saßen noch einige Minuten zusammen und versuchten erfolglos, neue Strategien zu entwickeln. Dann schickte ich die anderen an die Arbeit.
    »Was macht der Nachwuchs, Rübe?«, fragte Balke seinen Kollegen beim Weggehen und klopfte ihm auf die Schulter.
    »Vier Wochen noch«, meinte Runkel.
    »Und wie soll es diesmal heißen?«
    »Edwin, haben wir gedacht. Wird endlich mal wieder ’n Junge.«
    »Wollt ihr das ganze Alphabet durchbuchstabieren?« An mich gewandt, fügte er hinzu: »Seine Kids heißen nämlich Albert, Beatrix, Cäcilie, Dorothea, und jetzt kommt Edwin.«
    In genau diesem Moment fiel mir die Geschichte wieder ein. Ich fragte, ob jemand sich daran erinnerte. Vangelis und Balke zogen lange Gesichter und sahen Runkel an.
    »Du bist doch seit der Stadtgründung im Amt, Rübe«, meinte Balke. »Du musst doch davon gehört haben.«
    »Klar erinnere ich mich. Der Krahl war das, Volker Krahl. Hab ihn gut gekannt. Das muss aber vor über zehn Jahren gewesen sein.«
    Mit schleppender Stimme und umständlichen Formulierungen erzählte er, dieser Krahl habe damals tatsächlich erst seinen Sohn verloren, irgendwie krank sei der gewesen, und ungefähr eine Woche später die Tochter. Bei einem Autounfall. Da war er sich sicher.
    »Bei der Kripo ist er gewesen, der Krahl. Hauptkommissar bei der Kripo.«
    »Was ist später aus ihm geworden?«
    Runkel senkte den Blick. »Der hat dann irgendwie durchgedreht. Mit dem gab es nur noch Stress. War einfach zu nichts mehr zu gebrauchen. Mit allen und jedem hat der am Ende Krach gehabt. Später ist er dann versetzt worden. Wohin, weiß ich nicht.«
    Als die drei gegangen waren, erschien Sönnchen mit meinem Frühstück und einigen Papieren, die ich gestern zu unterschreiben versäumt hatte. Heute trug sie ein besonders hübsches Kleid. Ich machte ihr ein Kompliment, und sie errötete dankbar. Dann erkundigte ich mich nach einem guten Augenarzt, und selbstverständlich kannte sie mehrere. Ich bat sie, beim besten von allen einen Termin für mich zu machen.
    »Heute ist die Beerdigung von den Kindern des Professors«, sagte sie mit vorsichtig tastendem Blick. »Gehen Sie hin?«
    Entsetzt schüttelte ich den Kopf.
    »Hab ich mir gedacht«, meinte sie voller Verständnis. »Für mich ist das auch nichts. Beerdigungen von so jungen Leuten, das ist immer so furchtbar traurig.«
    Dann berichtete sie mir von der silbernen Hochzeit ihres älteren Bruders, dessen Frau sie auf den Tod nicht leiden könne. Aber es gelang mir nicht recht, mich auf das Gespräch zu konzentrieren. Ich machte unpassende Bemerkungen an den falschen Stellen. Schließlich verstummte sie mit fragendem Blick, und ich erzählte ihr die merkwürdige Geschichte des ehemaligen Kollegen, dessen Kinder so rasch nacheinander den Tod gefunden hatten.
    »Soll ich mal die Personalakte besorgen?«, fragte sie beim Abräumen. »Die von diesem Krahl?«
    »Wozu sollte das gut sein?«
    Sie zog es vor, meine miese Laune nicht zu bemerken.
    »Muss nachher sowieso ins Archiv runter. Da red ich mal mit der Gerda. Die müsste sich eigentlich noch an den erinnern. Die hat nämlich ein Gedächtnis wie ein Computer.«
    Überraschend schnell war sie zurück. Ein wenig außer Atem von den Treppen stand sie vor meinem Schreibtisch und teilte mir mit, Volker Krahls Personalakte sei unauffindbar.
    »So was gibt’s schon mal, dass was falsch abgelegt wird. Ist aber schon komisch, finden Sie nicht auch?«
    Ich fand das Verschwinden der Akte nur halb komisch.
    »Aber die Gerda, die hat sich wirklich noch gut an die Sache erinnert.« Sie setzte sich. »Der Sohn von dem Krahl, der muss so achtzehn oder neunzehn gewesen sein, und der ist im Krankenhaus gestorben. Es sei da nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen, und drum hat der Krahl dann später den Arzt verklagt, der seiner Meinung nach schuld war. Und ein paar Tage nachdem der Sohn tot war, ist dann auch noch die Tochter verunglückt, mit dem Auto. Die Gerda meint, das eine und das andere hätte sogar irgendwie miteinander zu tun gehabt. Weil sie so geschockt gewesen ist, oder so. Jedenfalls hat er dann auf einmal gar keine Kinder mehr gehabt, der arme Mann.«
    Nun erwartete sie eine Reaktion von mir. Ich nickte aufmunternd, obwohl ich

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