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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Weile wo gehaust hat. Da müsste er schon mit dem Dampfstrahler durch.«
    »Es geht ihm um Zeit«, grübelte Vangelis. »Er will Zeit schinden. Er ist vom Fach, er war bei der Kripo und weiß, dass er uns nicht beliebig lange davonlaufen kann, dass wir ihn irgendwann kriegen werden. Aber er ist verdammt gut, es kann dauern, wenn er so weitermacht.«
    »Und er braucht nur noch ein paar Tage«, ergänzte Balke frustriert. »Drei, um genau zu sein.«
    »Diese Zeit wird er nicht kriegen.« Ich spielte den Zuversichtlichen. »Er darf sie einfach nicht kriegen. Wir waren noch nie so nah dran. Wir haben ihn ja schon fast!«
    »Deshalb auch das Messer und der Lappen.« Vangelis starrte immer noch die Wand an und überlegte laut. »Er hätte die Sachen problemlos verschwinden lassen können. Aber er verwischt systematisch Spuren und legt ständig falsche für uns. Was ist die Spur hier? Was will er uns sagen mit diesen Bildern?«
    »Dass wir richtig liegen mit unserem Verdacht«, sagte ich. »Und dass Grotheers Frau sein nächstes Opfer ist.«
    »Und dass wir uns keine Hoffnungen machen sollen«, knurrte Balke. »Dass wir ihm nicht das Wasser reichen können.«
    »Er führt nicht nur Krieg gegen Grotheer. Er hat auch mit uns eine Rechnung offen«, murmelte Vangelis und starrte mich böse an. »Er hält uns zum Narren. Macht uns lächerlich. Zeigt uns, was er von uns hält.«
    »Wenn Sie in seiner Lage wären«, ich sah in die Runde, »wo würden Sie jetzt wohnen?«
    »Hotel scheidet aus«, sagte Balke sofort.
    »Es sind Semesterferien.« Der Spurensicherer trat seinen Zigarillo auf dem lange nicht gefegten steinernen Treppenabsatz aus. »In der Stadt stehen Tausende Studentenbuden leer. Mancher vermietet sein Zimmer weiter. Mein Sohn, der hat Maschinenbau studiert in München, der hat das auch immer so gemacht.«
    Klara Vangelis schloss die Augen und wirkte, als wäre ihr plötzlich schwindlig geworden. Balke stieß schnaufend die Fäuste in die Taschen seiner dunkelbraunen Lederjacke.
    »Wenn wir wenigstens ein Indiz hätten. Irgendwas, was uns die Staatsanwaltschaft abkauft, damit wir ihn endlich zur Fahndung ausschreiben können!«, sagte ich zähneknirschend.
    »Was ist denn mit den Haaren aus der Tiefgarage im Emmertsgrund draußen?«, fragte Balke nach Sekunden, in denen man nur die würgenden Geräusche aus der Erdgeschosswohnung und hin und wieder die Klospülung hörte. »Wenn die DNA identisch ist mit der, die Sie hier gefunden haben, dann haben wir zwar noch keinen Beweis, aber für einen dringenden Tatverdacht sollte es doch reichen.«
    Der Spurensicherer nickte gelangweilt. »Kommt alles sofort ins Labor. Aber das dauert natürlich.«
    »Bis wann?«, fragte ich.
    »Wir haben Freitag Nachmittag, Herr Kriminalrat.«
    »Das ist mir bekannt«, fuhr ich ihn an. »Aber die Kollegen könnten doch vielleicht mal eine Ausnahme machen?«
    »Machen sie, machen sie. Aber vor Montag geht da trotzdem nichts. Diese DNA-Sachen brauchen einfach ihre Zeit.«
    »Montag?«, fragte ich entsetzt. »Das ist zu spät!«
    Er hob die Schultern und ging zurück in Krahls Wohnung. Unten klappte die Klotür.
    Ich trug den beiden auf, sich von Simon eine möglichst genaue Beschreibung Krahls geben zu lassen. Zurzeit trug er einen sehr kurzen Bürstenhaarschnitt, so viel hatte ich selbst schon in Erfahrung gebracht. In der Klinik hatte er die Perücke getragen.
    Dann verabschiedete ich mich, um in der Direktion nach dem Rechten zu sehen.
    »Vergessen Sie Ihre Einkäufe nicht«, sagte Vangelis.
     
    Das Entsetzliche, das, was mich selbst heute noch in dunklen Stunden fast verzweifeln lässt, wenn ich an diese Geschichte zurückdenke, ist, dass ich es gewusst habe. Ich allein habe es gewusst, genauer, hätte es wissen können, wenn ich nur gewollt hätte. Den entscheidenden Hinweis hatte ich ja längst gesehen. Ich. Ich allein.
    Manchmal denke ich an Mariannes Worte über Verantwortung und Schuld. Sind wir verantwortlich für Gedanken, die wir nicht denken, weil wir fürchten, sie würden uns Schmerzen bereiten? Können wir schuldig werden durch Wissen, das wir im Unterbewussten verstecken, weil wir es nicht ertragen könnten? Weil die Erkenntnis unseren Stolz verletzen würde? Unsere Gefühle?
    Wenn ich den entscheidenden Gedanken zugelassen hätte, wenn ich wirklich hätte wissen wollen, was Krahl plante, dann wäre zumindest einer der Menschen, die im Zuge der weiteren Ereignisse sterben mussten, heute noch am Leben. Bin ich deshalb schuld an

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