Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
Vom Netzwerk:
schafsköpfigen ehrlichen Steuerzahlern?«
    Zögernd sagte ich: »In die Wohnung im Emmertsgrund wollten sie nicht mehr, seit der Sohn sie entdeckt hatte. Und da sind sie dann vermutlich auf die Idee mit der Yacht gekommen.«
    »Die übrigens ›Dream of Freedom‹ heißt und seit fünf Jahren in Livorno liegt«, fuhr er fort. »Und Sie hätten die Wette sowieso verloren. Ich hab nämlich schon angerufen. Il Professore und seine cara Amica sind da unten Stammgäste. Alle paar Wochen haben sie ’ne kleine Auszeit genommen und ein bisschen Freedom geträumt.«
    Sönnchen streckte den Kopf durch die Tür. »Herr Kriminalrat, da wäre ein Herr.«
    »Ein Herr?«
    »Er möchte eine Aussage machen.«
    »Soll einen Augenblick warten.«
    Die Tür schloss sich geräuschlos.
    »Okidoki.« Balke schob seine Papiere zusammen. »Jetzt mal im Ernst. Ich finde, es reicht. Diese Stiftung lässt massenweise Geld verschwinden, diese Firma auf Guernsey hängt irgendwie mit drin, und hinter allem steckt unser schlitzohriger Professor. Wir sollten ihm die Steuerfahndung auf den Hals hetzen. Hier geht’s schließlich nicht um ein bisschen Schwindelei beim Lohnsteuerjahresausgleich, wir reden über richtig dicke Klöpse. Und, was mich am meisten ärgert, alles auch noch unter dem Deckmäntelchen der Nächstenliebe! Wenn wir ein bisschen Glück haben, dann setzen sie ihn sofort fest wegen Verdunklungsgefahr, Krahl kommt nicht mehr an ihn ran, und wir haben zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.«
    »Und wenn wir ein bisschen Pech haben, dann verklagt er uns wegen Ruf Schädigung, und wir können …«
    »Ich weiß, ich weiß.« Seufzend verdrehte er die Augen. »Badisch Sibirien, Grenze bewachen. No risc, no fun. Wäre der Spaß das nicht wert? So einen Großkotz mal von seinem Sockel zu holen und in die Scheiße zu ziehen, wo er hingehört?«
    »Okay«, sagte ich vorsichtig. »Aber wir fangen klein an, damit wir immer noch den Schwanz einziehen können, wenn es schief geht. Kennen Sie zufällig jemanden beim Finanzamt?«
    »Na logisch«, erwiderte er völlig ernst. »Die Jessica, süßes Hüpferchen, aber leider ziemlich fest verheiratet seit neuestem. Ist zwar nur Sachbearbeiterin, aber sie versteht ihren Job und kennt ’ne Menge Leute.«
    »Dann sollten Sie die Dame mal anrufen.«
    »Wird mir ein Vergnügen sein.«
    In plötzlicher Eile verschwand er.
    Ich legte die Hände vors Gesicht und gähnte. Irgendwo konnte ich ihn ja verstehen. Auch mich machte es wütend, immer wieder zu hören und lesen, wie die großen Steuersünder ihre Milliönchen über Grenzen hin- und herschoben, während unsereiner jeden Monat auf seiner Gehaltsabrechnung nachlesen durfte, wie viel unser Arbeitgeber wieder einmal fürs Finanzamt abgezweigt hatte, ohne dass man auch nur gefragt wurde. Auch mich juckte es, Grotheer die Maske der Wohlanständigkeit vom Gesicht zu reißen. Aber ich muss gestehen, die Haupt-Triebfeder meines Tuns war Eifersucht. Blanke, billige Eifersucht. Die Enttäuschung darüber, dass Marianne ihn geliebt hatte und nicht mich.
    Sönnchen streckte den Kopf durch die Tür.
    »Jetzt nicht!«, fuhr ich sie an.
    Ich brauchte noch ein paar Minuten. Ich musste überlegen. Aber mein Kopf war taub und weigerte sich zu denken. Wieder einmal begann ich, in meinem Büro herumzutigern. Wäre es vielleicht wirklich die beste Lösung, Grotheer unter irgendeinem Vorwand in Haft zu nehmen? Ein paar Tage, bis wir Krahl endlich hatten? Es war ja nur eine Frage der Zeit. Ein Mensch kann sich nicht in Luft auflösen, selbst Krahl nicht. Täglich wurde über den Fall in den Zeitungen berichtet, wieder und wieder wurde das Foto aus der Klinik tausendfach abgedruckt. Wenn er noch in der Gegend war, dann würden wir ihn früher oder später unweigerlich kriegen.
    Aber was, wenn er nicht mehr in der Nahe war? Wenn er sich abgesetzt hatte, um zu warten, bis die Aufregung sich gelegt hatte? Um irgendwann, viel später, zurückzukommen und seine Rache zu vollenden? In Wochen, Monaten, Jahren? Falls Grotheers Vermutung stimmte, falls Krahl wirklich schwer krank war, dann lautete die Frage, wie lange er noch Zeit hatte.
    Runkel rief an und teilte mir mit, dass er Krahls Bruder noch immer nicht erreicht hatte. Gerade eben erst habe er wieder in Kanada angerufen.
    »Wissen Sie eigentlich, wie spät es in Vancouver gerade ist?«, fragte ich entsetzt.
    »Wieso?«
    »Ich vermute mal, da wird es jetzt kurz nach Mitternacht sein. Der arme Kerl wird sein Telefon

Weitere Kostenlose Bücher