Heidelberger Wut
amourösen Abenteuers noch im Gesicht stand.
Mit stummem Vorwurf hielten sie mir die zusammengeketteten Handgelenke hin.
»Ware wohlbehalten eingetroffen«, sagte ich ins Funkgerät. Runkel schloss mürrisch die Handschellen auf und drückte die beiden auf eine schmale Bank am hinteren Ende unseres getarnten Einsatzwagens.
»Sitzen bleiben, Schnauze halten«, knurrte er und klopfte auf die schwere Heckler & Koch in seinem Schulterhalfter. »Sonst gibt’s sado-maso-mäßig was hinter die Ohren.«
Vangelis war inzwischen ein Stück weitergegangen.
»Nichts zu sehen hier«, flüsterte sie. Wieder hörte ich eine Weile nur ihre Schritte und ihren Atem. Dann klang ihre Stimme plötzlich verändert. »Hoffentlich sind sie nicht in der Zwischenzeit über den Neckar!«
»Über den Fluss?«, fragte ich alarmiert. »Wie kommen Sie darauf?«
»Ich meine, hier hat vorhin noch das Ruderboot meiner zwei Verehrer gelegen. Und das ist jetzt nicht mehr da. Es ist aber so verflixt dunkel hier, ich bin mir nicht sicher, ob ich schon an der richtigen Stelle bin. Wenn wenigstens der Mond scheinen würde, aber so …« Ihr Atem ging jetzt stoßweise. »Nein«, zischte sie dann. »Das Boot ist weg.«
»Okay«, sagte ich. »Wir kommen.«
Augenblicke später huschten ein paar dunkle Gestalten an mir vorbei, die einige hundert Meter weiter in ihren Fahrzeugen auf meinen Einsatzbefehl gewartet hatten.
Bonnie and Clyde waren wieder einmal entkommen. Einige wenige Dinge, darunter vermutlich ihre Waffen, mussten sie irgendwann im Lauf der letzten Stunde auf das Boot geladen haben. Wagen, Zelt und den Rest ihres Gepäcks hatten sie zurückgelassen, und nun waren sie weg.
Auf der Fahrt in die Polizeidirektion löste ich eine Großfahndung aus, und bereits wenige Minuten nachdem ich mein Büro betreten hatte, wurde das Ruderboot einige Kilometer flussabwärts verlassen am südlichen Neckarufer gefunden. Gegen halb eins meldete ein Kegelbruder aus Neckargemünd mit schwerer Zunge seinen fast neuen S-Klasse-Mercedes als gestohlen, mit dem er bei seinem Alkoholpegel ohnehin nicht mehr hätte nach Hause fahren dürfen. Vangelis gab das Kennzeichen in die Fahndung, und dann geschah nichts mehr.
Um drei war ich so müde, dass ich nicht mehr geradeaus gucken konnte. Ich ging nach Hause, um mich ein wenig hinzulegen. Vangelis blieb zurück. Sie war hellwach.
9
Um kurz vor sieben schreckte mich mein Handy aus wirren und schweißnassen Träumen. Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich es in einer Tasche meines achtlos über den Stuhl geworfenen Jacketts fand.
»Bad news«, hörte ich Balkes belegte Stimme sagen. »Wollen Sie es auf nüchternen Magen, oder brauchen Sie erst einen Kaffee?«
»Wo steckt Vangelis?«
»Hat sich aufs Ohr gehauen. Sie war am Ende und hat mich gebeten zu übernehmen.«
»Okay.« Ich setzte mich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. »Wie schlimm ist es?«
»Schlimmer. Eine Eingreifgruppe aus Freiburg hat sie gestellt. Vor einer guten Stunde auf dem Rastplatz Bad Bellingen. Und leider …« Balke räusperte sich. »Es ist genauso ausgegangen wie im Film. Sie haben es bis zum bitteren Ende durchgezogen.«
»Das heißt, sie sind tot?«
»Beide. Es ist komplett in die Hose gegangen. Der Tankwart hat unsere Leute alarmiert. Vielleicht haben die zwei da schon was gemerkt, wie er telefoniert hat, wer weiß. Die Freiburger haben eigentlich alles richtig gemacht. Sie waren in Zivil, sind mit drei Autos in großem zeitlichem Abstand gekommen. Wir hätten es nicht besser gemacht. Und sie sind den beiden auch nicht zu nahe gekommen, behaupten sie zumindest. Aber irgendwie müssen die Lunte gerochen haben, und auf einmal haben sie das Feuer eröffnet. Es muss eine regelrechte Schlacht gewesen sein.«
»Verletzte auf unserer Seite?«
»Nichts Ernstes. Zwei Fleischwunden und ein ziemlicher Sachschaden. Ein Einsatzwagen ist ausgebrannt.« Balke atmete tief durch. »Vor allem das Mädel muss um sich geballert haben wie eine Wahnsinnige. Sie haben dann sogar noch versucht, den Tankwart als Geisel zu nehmen, aber der konnte sich im letzten Moment in einem Nebenraum verschanzen. Dann wollten sie die Zapfsäulen in Brand schießen, aber das hat zum Glück nicht geklappt. Und als ihr Freund schon tot war, da hat sie seine Pistole auch noch genommen und beidhändig geschossen. Den Kollegen blieb gar nichts anderes übrig …«
»Ein zwanzigjähriges Mädchen?«, fragte ich entsetzt. »Hätten sie nicht ein bisschen warten
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