Heidelberger Wut
überzeugt, damit haben wir den Missing Link zwischen Seligmann und Bonnie and Clyde. Hundert Pro. Seligmann ist unser dritter Mann.«
Liebekinds Stirn durchfurchten wieder einmal Sorgenfalten. »Dieser Herr Möricke gräbt fast täglich einen neuen Fall aus«, seufzte er, noch bevor ich richtig saß. »Mir war gar nicht bewusst, dass es in unserer schönen Stadt so viele Verbrechen gibt.«
»Ich hoffe, es geht nicht schon wieder um den Missbrauch Minderjähriger.«
»Das zum Glück nicht. Da scheint ihm inzwischen doch ein wenig die Munition ausgegangen zu sein. Aber er macht jetzt eine regelrechte Serie aus seinem derzeitigen Lieblingsthema: Wie oft unsere Polizei versagt.«
Ich schob ihm ein kopiertes Blatt über den Schreibtisch. »Vielleicht hilft uns das hier, ihm ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Möricke hat letzten Herbst eine Nacht in einer unserer Zellen verbracht. Alkohol am Steuer, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beamtenbeleidigung, die ganze Palette. Eine Streife hat ihn gestoppt, weil er nicht mehr geradeaus fahren konnte. Er wurde zu zwanzig Tagessätzen verurteilt plus acht Wochen Führerscheinentzug.«
Die Stirn meines Chefs wurde sichtbar glatter. Er schob die schwere, schwarz umrandete Brille hoch und überflog das Papier.
»Was schlagen Sie vor?«
»Mit Ihrem Einverständnis lasse ich es auf ein paar Umwegen der Rhein-Neckar-Zeitung zuspielen. Und ich werde dafür sorgen, dass es dort in die richtigen Hände gerät.«
»Es soll aber nicht so aussehen, als wollten wir Rache üben.«
Wir nickten uns zu.
Ich erhob mich.
Feierabend. Zeit für Theresa. Wir hatten uns kurzfristig verabredet.
»Ich fürchte, sie haben etwas gerochen«, sagte Vangelis, die ich zu meinem Missvergnügen in meinem Büro antraf. Es schien vorläufig nichts zu werden mit meinen Plänen für den Abend. »Sie packen. Das Zelt steht aber noch. Vielleicht haben sie vor, diese Nacht noch zu bleiben und erst morgen früh zu fahren. Aber es wird brenzlig.«
Seufzend sank ich in meinen Sessel. »Was ist schiefgegangen?«
Sie hob die Schultern. Sie brauchte nichts zu sagen. Wir hatten sie letzte Nacht nicht festgenommen, wie sie vorgeschlagen hatte, das war schiefgegangen. Sollten sie uns entwischen, dann war es meine Schuld.
»Was schlagen Sie vor?«, wiederholte ich den Satz, den Liebekind eben erst zu mir gesagt hatte.
»Im Augenblick können wir nichts unternehmen. Mir sind da zu viele Leute in der Nähe. Den Platz zu räumen, ohne dass die zwei etwas merken, ist praktisch unmöglich. Vielleicht später, wenn sie schlafen.«
»Falls sich in der kommenden Nacht eine Gelegenheit ergibt, dann schlagen wir zu«, entschied ich. »Und wenn nicht, dann lassen wir sie fahren und greifen sie uns an einer Stelle, wo wir keine Unbeteiligten gefährden.«
Sie konnte es sich doch nicht verkneifen, ihren Triumph noch ein wenig auszukosten: »Es sieht ja leider nicht so aus, als wollten sie uns noch zu ihrem Komplizen führen, nicht wahr?«
Als ich den Römerkreis wieder einmal im Laufschritt überquerte, summte mein Handy. Eine SMS von Louise. Ich las sie im Gehen und wäre deshalb um ein Haar von einem Bus angefahren worden. Das Wort, das am häufigsten vorkam, war »Scheiße«. Sylt war total scheiße, das Wetter war scheiße, das Wasser viel zu scheißkalt zum Baden, die Jugendherberge war megaoberscheiße und das norddeutsche Essen natürlich sowieso. Die beknackten Jungs hatten nichts als Wodka im Kopf, die Lehrer nervten, und Sarah hatte ein kleines bisschen Zahnschmerzen.
Ich schickte ihr eine aufmunternde Nachricht zurück und hoffte, dass die beiden aus dieser Erfahrung wenigstens lernten, wie schön sie es zu Hause hatten. Und ich nahm mir vor, sie nicht gleich wieder mit gesunder Ernährung zu plagen, wenn sie zurückkamen.
8
An diesem Abend war Theresa traurig. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, was sonst ja eher meine Spezialität war. Normalerweise fand ihre Ehe einfach nicht statt, solange wir zusammen waren. Es war, als gäbe es in ihrem Kopf eine Pause-Taste wie bei einem CD-Spieler. Heute schien dieser Knopf jedoch nicht zu funktionieren. Zum ersten Mal in meiner Gegenwart plagte meine Schöne der Gedanke, es könnte nicht richtig sein, was wir zweimal die Woche trieben.
»Hat er irgendwas gesagt?«, fragte ich. »Benimmt er sich anders als sonst?«
»Aber nein«, erwiderte sie abweisend. »Das ist es nicht.«
»Was ist es dann?« Ich versuchte, sie in den Arm zu nehmen, aber
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