Heidelberger Wut
Arbeit ganz umsonst gemacht?«
»So viel Arbeit war es ja nun auch wieder nicht«, fuhr ich sie an.
Sie knallte die Tür etwas fester hinter sich zu als üblich, und ich hörte draußen ihren blechernen Papierkorb leise scheppern. Da hatte ich wohl etwas gutzumachen.
Ich telefonierte nach Vangelis.
14
»Dieser Seligmann hat mit dem Bankraub nichts zu tun«, meinte meine hübsche Untergebene. »Er lügt wie gedruckt.«
»Sie haben also auch Ihre Zweifel an seiner Geschichte?«
»Zweifel?« Sie lächelte mich ungläubig an. »Ich bin überzeugt, spätestens morgen wird er sein Geständnis widerrufen. Keine Ahnung, welcher Teufel diesen Mann reitet.«
Ich nahm die Brille ab und rieb mir die Augen.
»So betrunken kann ein Mensch gar nicht sein, dass er Geld aus der Beute und ein ihn so belastendes Ding wie dieses Handy in seinem Auto vergisst. So, wie ich Seligmann einschätze, hätte er das Handy unmittelbar nach der Tat entsorgt. Und zwar so gründlich, dass es niemals wiederauftaucht.«
»Ich bin außerdem sicher, das Geld stammt nicht aus der Beute.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Bonnie and Clyde haben nur die großen Scheine mitgenommen. Ich habe noch mal in den Aussagen des Filialleiters nachgelesen. Alles unter Hundertern haben sie liegen lassen, damit ihre Tüten nicht zu schwer wurden.«
»Und in seinem Handschuhfach …«
»… lagen ausschließlich Fünfziger, Zwanziger und ein paar Zehner.«
Ich hörte noch Heribert Brauns Worte: Er wollte ja immer nur kleine Scheine …
Ich sah zum Fenster hinaus und seufzte vermutlich fast so dramatisch wie Sönnchen vorhin. Draußen schien warm die Spätnachmittagssonne. Augenblicke später verschwand sie hinter einem weißen Wölkchen, nur, um Sekunden später wieder hervorzukommen.
»Eine Weile spielen wir sein Spiel noch mit. Und nebenbei müssen wir herausfinden, warum er unbedingt ein Verbrechen gestehen will, das er nicht begangen hat.«
»Mir fallen spontan zwei mögliche Erklärungen ein«, sagte sie und reckte den Zeigefinger der rechten Hand. »Erstens, er deckt den wahren Schuldigen. Er weiß, wer es war, und will verhindern, dass es herauskommt.«
»Oder zweitens«, führte ich ihren Gedanken fort, »er hat etwas auf dem Gewissen, was noch viel schlimmer ist als ein Bankraub.«
Nachdem Vangelis gegangen war, beschloss ich, für heute Feierabend zu machen. Ich war müde, und meine Töchter würden sich bestimmt freuen, mich nach der langen Trennung wieder einmal beim Abendessen zu sehen. Gestern waren sie wegen eines Autobahnstaus erst kurz vor Mitternacht angekommen, hatten im Flur ihr Gepäck fallen lassen und waren nach ein paar mürrischen Worten sofort in die Betten gesunken. Bevor ich sie abholte, hatte ich die Wohnung noch einmal überprüft, ob nicht irgendwo verräterische Spuren von meinem Wochenende zurückgeblieben waren. Wie leicht übersieht man Lippenstift an einem Glas, eine Haarspange im Bad. Aber ich hatte nichts gefunden. Heute hatten sie schulfrei gehabt, um auszuschlafen. Und nun waren sie bestimmt hungrig und hatten viel zu erzählen.
Ich durfte nicht vergessen, meiner Sekretärin morgen einen kleinen Blumenstrauß mitzubringen wegen der Sache mit der Zeitung. Die lag noch in ihrem Papierkorb, sah ich im Vorbeigehen. Ich nahm sie heraus, strich das Blättchen notdürftig glatt und steckte es ein.
Louise war wieder völlig gesund, und Sarah schwor, seit Tagen nicht die Spur von Zahnschmerzen gehabt zu haben.
»Echt! Total wie weggezaubert!«, erklärte sie mit treuherzigem Kulleraugenblick. »Meine Zähne reparieren sich eben doch selbst.«
»Cool war’s«, strahlte Louise auf meine Frage, wie es ihnen ergangen sei. »Echt alles super-megageil da oben!«
»Musst du unbedingt auch mal hin!«, stimmte Sarah ein. »Das Meer, der Strand, die Fischerboote!«
»Und einmal haben wir einen Sonnenuntergang erlebt, da hättest du Augen gemacht!«
Es war mir neu, dass meine Töchter sich für Sonnenuntergänge interessierten. Und ich erinnerte mich an diverse SMS, in denen alles völlig anders geklungen hatte. Außerdem hatte ich eher etwas von tollen Diskotheken und süßen Jungs erwartet.
»Und wie war’s bei dir?«, fragte Sarah.
»Ach.« Ich winkte ab. »Nichts als Arbeit. Schön, dass ihr wieder da seid. Habt ihr schon gegessen?«
Misstrauisch sahen sie mich an. »Wir wollten noch weg.«
»Wir könnten doch trotzdem vorher zusammen essen. Ein bisschen eure Rückkehr feiern? Ich hab eine Überraschung
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