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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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Ihre ganze linke Seite ist verbeult. Hatten Sie einen Unfall?«
    Er nickte gleichgültig. »Bin nachts von der Straße abgekommen und an einem Baum entlanggeschrammt. Ist aber weiter nichts passiert. Irgendwo hab ich dann eine Weile im Auto geschlafen. Und am Morgen war ich im Elsass. Ich bin die ganze Zeit auf Landstraßen gefahren, weil ich dachte, da fällt man vielleicht nicht so auf. Richtung Süden, in die Provence wollte ich, das ist mir aber erst mit der Zeit klar geworden. Aber bei dem Unfall ist was an der Lenkung kaputtgegangen, und in der Nähe von Belfort bin ich dann liegen geblieben. Sie haben fast eine Woche gebraucht, bis endlich die Ersatzteile da waren. Und bis dahin war ich so weit wieder bei Sinnen, dass ich wusste, das hat alles keinen Sinn. Und dann bin ich zurück.« Seligmann lauschte seiner Geschichte nach, als könnte er sie selbst nicht glauben.
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum Sie plötzlich weg wollten. Es hatte doch alles prima geklappt. Sie hatten eine dreiviertel Million erbeutet. Und kein Mensch hat Sie verdächtigt.«
    »Mir ist auf einmal die Decke auf den Kopf gefallen. Und ich war auch ziemlich besoffen, das hab ich ja schon gesagt. Und Sie hatten natürlich Recht, ich wollte mir wirklich das Leben nehmen. Aber nicht mal das hab ich fertiggebracht. Nach ein paar Minuten hat die Blutung ganz von allein aufgehört. Und dann bin ich eben ins Auto gestiegen. Erst dachte ich, irgendwo gegen einen Baum. Aber das geht gar nicht so einfach. Ich hab’s probiert, irgendwo in der Pfalz drüben. Ich bin nicht aus Versehen von der Straße abgekommen. Aber das Auto hat im letzten Augenblick ganz von allein einen Haken geschlagen, und so hab ich nur eine Zierleiste verloren und mir die Vorderachse ruiniert. So bin ich einfach weitergefahren, einfach immer weiter und weiter.«
    Mit einem erschöpften Lächeln sah er auf, senkte den Blick jedoch gleich wieder. »Was aus meinen Tieren wurde, war mir egal. Es war mir ja auch egal, was aus mir wird. Und Rebecca hätte schon auf sie aufgepasst, das wusste ich ja.«
    »Vermutlich hätten wir Sie nie erwischt, wenn Sie sich durch Ihre überstürzte Flucht nicht verdächtig gemacht hätten.«
    Er nickte mit fast geschlossenen Augen. Führte mit zittriger Hand die Zigarette an die schmalen Lippen. Nahm einen tiefen Zug.
    »Anderes Thema. Was ist mit der Beute? Bei Ihren Partnern haben wir nur die Hälfte gefunden. Wo ist Ihr Anteil geblieben?«
    »Erst hatte ich das Geld im Keller versteckt. An dem Morgen nach meiner Flucht hab ich es dann unterwegs irgendwo vergraben, da war ich schon im Elsass. Ich war noch nicht ganz nüchtern. Aber so weit konnte ich schon wieder denken: ich wollte nicht mit so einem Haufen Bargeld im Kofferraum in eine Polizeikontrolle geraten. Und da hab ich es eben vergraben.«
    »Sie wissen sicher noch, wo?«
    »Klar weiß ich das. In der Nähe von Seltz. Ich kann Ihnen eine ziemlich genaue Wegbeschreibung geben.« Mit einer fahrigen Bewegung drückte er die Zigarette aus. Ein bisschen Asche fiel auf die Tischplatte. Er wischte sie sorgfältig weg. Sein Gesicht war leer wie nach einem langen Kampf, den man am Ende verloren hat.
    »Ich weiß selbst nicht, was auf einmal über mich gekommen ist. Hab einfach diesen Druck nicht mehr ausgehalten. Jeden Tag, jede Stunde hab ich erwartet, dass Sie kommen. Ist verdammt hart, diese ständige Anspannung zu ertragen. Am Anfang ging’s ja noch ganz gut. Aber dann … man stellt sich das nicht vor, wenn man es nicht selbst erlebt hat.«
    Ich drehte den Kugelschreiber zwischen meinen Fingern, den ich hier zu nichts brauchte.
    »Und warum haben Sie sich nicht irgendwo niedergelassen, wo kein Mensch Sie findet, und ein bisschen Urlaub gemacht, bis die Aufregung sich gelegt hat?«
    Seligmann schwieg lange. Dann sah er mir mit festem Blick in die Augen.
    »Mir wurde klar, es hat keinen Sinn, sich zu verstecken. Da hätte ich schon nach Afrika gemusst. Und selbst da hätten Sie mich irgendwann gefunden. Und von einer dreiviertel Million kann man nicht ewig leben. Da hab ich gedacht, wenn alle Spuren beseitigt sind, dann können Sie ja ruhig kommen. Das Geld hatte ich vergraben, es gab also nichts mehr, was mich hätte verraten können. Ich hatte doch an alles gedacht. Und ausgerechnet dieses blöde Handy, wirklich zu dämlich, dass ich ausgerechnet das vergessen hab.«
    »Und das Geld im Handschuhfach.«
    Er zuckte die Achseln und fummelte die nächste Zigarette aus der Packung. Bald

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