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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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schnurren.
    »Das ganze Theater ist ihm peinlich, hat er nur gesagt. Dieser Wirbel in den Zeitungen. Er ist kein Held, hat er gesagt, im Gegenteil. Und er hätte schließlich nur getan, was jeder andere auch getan hätte.«
    »Das hat er gesagt?«, fragte ich. »Er sei kein Held, sondern das Gegenteil?«
    »Wir haben es auch nicht verstanden. Aber man redet manchmal viel, wenn man nicht weiß, was man sagen soll.«
    Als wäre er plötzlich erwacht, sah er mir ins Gesicht. »Ja, wir sind später mal bei ihm gewesen, Renate wollte das unbedingt. Mit einem Blumenstrauß und einer Flasche Wein sind wir nach Eppelheim gefahren. Aber er hat uns nicht mal reingelassen.« Unablässig streichelten seine Hände die schmale Katze, die jetzt schnurrte wie eine alte, perfekt geölte Nähmaschine. »Ich sag Ihnen was: Ich mag den Kerl nicht. Weiß auch nicht, warum. Ich kann ihn einfach nicht ausstehen.«
    Da sind Sie nicht der Einzige, hätte ich um ein Haar gesagt.
    Wieder versank Jules Vater in brütendem Nachdenken, in Erinnerungen. Irgendwo im Haus, vermutlich in der Dachwohnung über uns, erklang leise Musik. Eine Querflöte, Bach, ich kam nicht darauf, was es war. Die Katze spitzte die Ohren und sauste davon. Vielleicht hasste sie Flötenmusik.
    »Die Studentin«, murmelte Ahrens, den Blick immer noch dorthin gerichtet, wo die Katze gelegen hatte. »Dieses Gepfeife den ganzen Tag kann einen wahnsinnig machen.« Plötzlich sah er auf und war wieder in der Gegenwart angekommen. »Und jetzt glauben Sie auf einmal, dieser Seligmann war’s?«
    »Vorläufig sammeln wir nur Fakten«, widersprach ich vorsichtig. »Aber wir halten es nicht für ausgeschlossen.«
    Ich bat ihn, mir den Abend noch einmal zu beschreiben, an dem das Leben seiner Tochter sich so dramatisch verändert hatte. Jule sei schon seit Wochen merkwürdig verwandelt gewesen, erfuhren wir.
    »Verknallt war sie«, sagte er in einem Ton, als ginge es um eine ekelerregende Krankheit. »Und die Pille hat sie genommen. Das habe ich aber erst viel später bemerkt, als meine Frau weg ist und ich die Wohnung aufgelöst habe. Und ich habe bis heute keinen Schimmer, woher sie das Zeug hatte. Ein Arzt hätte es ihr ohne unser Einverständnis doch gar nicht verschreiben dürfen, nicht wahr?«
    »Sie wissen aber nicht, für wen sie die Pille nahm?«
    Er schien meine Frage überhört zu haben.
    »Sie hat sich so auf den Geburtstag gefreut«, flüsterte er und drehte mit einem Ruck den Kopf zur Seite. »Es hat ja nichts anderes mehr gegeben auf der Welt als diesen gottverfluchten Scheißgeburtstag. Sechzehn, wenn sie nur endlich sechzehn ist.« Er wandte sich wieder mir zu. »Wir haben natürlich später rumgefragt. Ihre Schulkameradinnen, die Mädchen im Schwimmclub, in der Ballettgruppe, keiner hat uns was sagen können. Keiner hat irgendwas gewusst. Komisch, nicht? Normalerweise können die Mädels doch den Mund nicht halten, wenn sie verknallt sind. Aber meine Tochter – nichts da. Keiner hat irgendwas gewusst. Keiner.«
    »Haben Sie die Polizei über Ihren Verdacht informiert?«
    Die Musik brach ab. Die plötzlich Stille nahm einem fast den Atem.
    »Wozu? Wirklich sicher war ich ja erst, als ich diese verfluchten Pillen gefunden habe. In ihrem Radio hatte sie sie versteckt, stellen Sie sich das mal vor! Damit sie bloß keiner findet. Ich hätte ihr natürlich auch den Marsch geblasen, wenn ich das gewusst hätte. Sie war ja noch nicht mal sechzehn. Was haben Sie gesagt?«
    Ich wiederholte meine Frage.
    »Was hätte das für einen Sinn gehabt, noch mal zur Polizei zu rennen? Wäre dadurch irgendwas besser geworden?«
    Das zuvor vom Alkohol rosige Gesicht des Vaters war jetzt grau und zerfallen.
    »Vielleicht hätte ich ihr verbieten sollen, dieses Kleid anzuziehen.«
    »Sie war an dem Abend anders gekleidet als sonst?«
    Er nickte schwach. »Renate hat es auch komisch gefunden, dass sie sich auf einmal so rausgeputzt hat. Sonst hat sie ja immer nur ihre Jeans angezogen. In ein Kleid, da musste man sie ja praktisch reinzwingen. Was hat Renate mit ihr geschimpft. Und dann tut sie ihr endlich den Gefallen, und dann …«
    Er sprang auf. Verschwand in der Küche. Ich hörte die Kühlschranktür, das Ploppen eines Korkens. Mit einer Rotweinflasche am Hals kam er zurück, fiel wieder in seinen Sessel. In der Flasche war ein einsneunundneunzig-Rioja von irgendeinem Discounter.
    Wieder diese Übelkeit. Inzwischen wünschte ich mich nur noch fort. An einen anderen Ort. In einen

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