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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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hineinsteigern, dass man erwartet, er hat gleich Schaum vor dem Mund.«
    »Verzeihen Sie die Frage: Würden Sie sagen, er ist sexuell normal? Oder ist er eher … nun ja, Sie verstehen schon.«
    »Normal?« Sie zuckte die Schultern. »Xaver ist so normal und so unnormal wie jeder andere Mann, den ich kennen gelernt habe. Irgendwelche Macken haben sie doch alle, oder nicht?«
    »Warum haben Sie sich dann von ihm getrennt?«
    »Weil er ein Idiot ist.« Gelassen sah sie mich an.
    Diesmal wurde der Tee in der Küche serviert. Sie stellte die schon bekannten Tassen aus chinesischen Porzellan auf den Tisch, brachte Zucker und Sahne.
    Dann setzte sie sich mir gegenüber und sah mir offen ins Gesicht.
    »Worauf wollen Sie hinaus? Ich denke, es geht um einen Bankraub?«
    Ich nippte an meinem Tee, der mir heute wieder überhaupt nicht schmeckte, stellte dann vorsichtig die Tasse ab.
    »Es geht noch um etwas anderes.«
    Nun wusste ich nicht, wie ich fortfahren sollte. Ich hatte vergessen, mir eine Strategie zurechtzulegen. Auch in diesem Punkt hatte Sönnchen Recht – ich sollte wirklich ein paar Tage ausspannen. Hatte ich erwartet, dass Frau Eichner sagte, ihr geschiedener Mann sei der geborene Kinderschänder?
    Unverwandt sah sie mir in die Augen. Und ich fühlte mich mit jeder Sekunde unbehaglicher und dämlicher.
    »Okay«, sagte ich schließlich und wich ihrem Blick aus. Meine Kopfschmerzen schienen durch den Tee plötzlich schwächer geworden zu sein. »Hat er …« Ich räusperte mich. »… hat er spezielle sexuelle Vorlieben? Zum Beispiel junge Frauen? Sehr junge Frauen?«
    Sie zog eine Grimasse und hätte fast gelacht. »Welcher Mann hätte die nicht?«
    »Ich, zum Beispiel«, entgegnete ich ungewollt scharf und hätte mich in der nächsten Sekunde am liebsten geohrfeigt. Ich benahm mich wie ein Anfänger. Noch zwei solche Sätze, und sie würde mich hinauswerfen.
    »Hören Sie, Frau Eichner, ich …« Ja, was? Was wollte ich hier? Das Beste wäre, mich zu verabschieden und mich länger nicht mehr blicken zu lassen.
    »Ich höre Ihnen die ganze Zeit zu, Herr Gerlach. Und ich würde nun wirklich gerne erfahren, was Sie von mir hören wollen. Warum interessieren Sie sich jetzt auf einmal dafür, wie Xaver es im Bett am liebsten hatte?«
    »Verstehen Sie mich bitte richtig.« Ich rieb meine müden Augen. Setzte die Brille wieder auf. »Es ist kaum mehr als ein vager Verdacht. Nein, nicht einmal das.« Endlich gab ich mir einen Ruck. Ich hatte mir das hier eingebrockt, jetzt musste ich es auch durchziehen. »Sie erinnern sich doch bestimmt an diese schreckliche Geschichte vor zehn Jahren? An Jule Ahrens?«
    Bildete ich es mir nur ein, oder wurde sie blass? Sie blickte in ihren Tee und rührte ruhig um.
    »Natürlich.«
    »Halten Sie es für möglich, dass er etwas damit zu tun hat?«
    »Er hat dem Mädchen das Leben gerettet.«
    Warum fiel es mir so schwer, den Satz auszusprechen? Aber nun brachte ich es endlich heraus: »Halten Sie es für denkbar, dass er es war? Dass er sie vergewaltigt hat?«
    »Nein!«, lautete die ebenso klare wie erschrockene Antwort.
    »Und Sie wollen mir noch immer nicht verraten, warum Sie sich von ihm getrennt haben?«
    »Ich habe es Ihnen schon gesagt: Weil er ein Idiot ist.«
    Ich leerte meine Tasse und beschloss, dass es genug war. Hoffentlich erfuhren nicht allzu viele Leute von diesem Gespräch.
    »Was für eine Praxis ist das eigentlich, in der Sie arbeiten?«, fragte ich beim Aufstehen.
    »Doktor Novotny ist Zahnarzt. Wieso fragen Sie?«
    »Kann er mit Kindern umgehen? Mit Jugendlichen, die Angst haben vor Zahnärzten?«
    »Aber ja«, lachte sie. »Das ist sogar seine Spezialität. Für die ganz Kleinen hat er so eine Kasperle-Puppe, die an seiner Stelle die Spritze gibt.«
    Es war unverkennbar, diese Frau verehrte ihren Chef. Ich bat sie, mir die Nummer der Praxis aufzuschreiben.
     
    Auf dem Heimweg kaufte ich in Wieblingen einen großen Strauß gelber Rosen. Als ich den geschwätzigen Audi später auf dem Parkplatz hinter der Polizeidirektion abstellte, waren die Kopfschmerzen verschwunden.
    »Das wäre doch nicht nötig gewesen!« Hingerissen schnupperte Sönnchen an den Blumen.
    »Doch«, widersprach ich. »Das war sogar sehr nötig. Ich fürchte, ich habe mich da in irgendwas verrannt.«
    »Das passiert doch jedem mal, gell?«, meinte sie großmütig. »Jetzt gehen Sie in die Kantine und essen was Ordentliches und gönnen sich mal eine Stunde Pause. Und dann sind Sie bestimmt

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