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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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können. Er hätte anonym einen Krankenwagen rufen können.«
    »Er hat die dümmste aller Möglichkeiten gewählt. Und der Witz ist, gerade deshalb hat ihn keiner verdächtigt. Nur durch diese Dummheit ist er überhaupt davongekommen.«
    »Sagtest du nicht, du müsstest spätestens um neun weg?«
    Erschrocken angelte ich meine Uhr vom Nachttischchen. Es war schon fünf nach. Ich sprang aus dem Bett und verzichtete auf die Dusche.
    »Ich nehme an, er war schon seit Ewigkeiten scharf auf das Mädchen.« Ich hüpfte beim hastigen Anziehen der Hose auf einem Bein. »Sie war körperlich sehr reif, und solche jungen Dinger können einen Mann ganz schön auf die Probe stellen. Seine Frau meint natürlich, sie hätte ihn verführt. Vermutlich war es aber eher umgekehrt. Vermutlich hat er versucht, sie rumzukriegen, sie wollte nicht, oder sie wollte erst und dann auf einmal doch nicht, und da hat er durchgedreht.«
    Nackt stand Theresa vor mir, während ich bereits vollständig angekleidet war. In der linken Hand die unvermeidliche Zigarette, mit der rechten fuhr sie mir nachdenklich durchs Haar.
    »Die Geschichte macht dir ganz schön zu schaffen. Du solltest mal ein bisschen ausspannen, Alexander. Nun hast du ihn überführt. Den Rest können andere erledigen.«
    Ich drückte sie an mich. Atmete ihren vertrauten Duft ein und war ein bisschen traurig, dass ich schon wegmusste. Ein paar wenige Sekunden gönnte ich mir noch. Das genoss ich oft mehr als alles andere, dieses gemeinsame Stillsein, dieses Vertrauen, das guter Sex schaffte. Diesen vollkommenen Frieden, der sich danach einstellte und zum Glück immer einige Stunden anhielt. Bei mir meist bis zum nächsten Morgen, wenn ich den ersten Blick in meinen Terminkalender warf. Sacht streichelte ich ihren nackten, schön geschwungenen Rücken. Bestimmt war es jetzt schon zehn nach neun. Aber ich wollte und konnte mich noch nicht von ihr lösen. Ich drückte ihr einen Kuss auf ihre Nasenspitze.
    Theresa öffnete die Augen und küsste mich auf den Mund. »Liebe macht uns eben nicht nur blind und manchmal reichlich blöd, sondern hin und wieder sogar kriminell«, seufzte sie.
    »Was redest du da!« Gröber, als ich gewollt hatte, stieß ich sie weg. »Hier geht es doch nicht um Liebe! Er war geil auf das Kind, er hat es vergewaltigt, auf die brutalste Weise, die man sich denken kann. Er hat Jule nicht getötet, aber trotzdem hat er sie um ihr Leben gebracht!«
    »Wenn man dich so hört«, sagte sie leise lächelnd, »dann könnte man auf den Gedanken kommen, du glaubst selbst nicht an seine Schuld.«

19
    Meine Töchter tobten um die Wette. Sie hatten mich auf dem Gehweg erwartet, beide hübsch herausgeputzt. Zu hübsch, wie ich fand. Bauchfrei, figurbetont, wo es nur ging. Viel zu aufreizend. Aber jetzt war es natürlich zu spät zum Einschreiten.
    »Du bist viel zu spät dran!«, zeterten sie, als sie hastig einstiegen. »Die Party hat schon um sieben angefangen!«
    »Und spätestens um neun wolltest du da sein!«
    »Und jetzt ist es schon zwanzig nach!«
    Ich entschuldigte mich mit einem wichtigen und leider unerwartet langwierigen Verhör. Sie wollten nichts davon wissen. Auch nichts von Lehrern, die ihren Schülerinnen Gewalt antaten. Selbst wenn ich die Welt vor dem Klimaumschwung gerettet hätte, ich war zu spät und basta.
    Zeternd forderten sie, ich solle um Himmels willen endlich losfahren, und vor Empörung vergaßen sie völlig, sich darum zu streiten, wer vorne sitzen durfte.
    »Okay«, sagte ich, als ich sie vor einem großen, hell erleuchteten Haus an der Panoramastraße absetzte, aus dem schon laute Musik wummerte. Wenige Häuser weiter musste damals Jule Ahrens mit ihren Eltern gewohnt haben, wenn ich die Hausnummer richtig im Kopf hatte.
    »Ich bringe euch zu spät, also hole ich euch auch eine halbe Stunde später ab.«
    »Wieso nicht eine ganze?«, fragte Sarah geistesgegenwärtig. Wie vermutlich alle Frauen waren auch meine Töchter Meisterinnen darin, das schlechte Gewissen eines Mannes für ihre Zwecke auszunutzen.
    »In Gottes Namen«, seufzte ich. »Ihr schreibt morgen aber keine Arbeiten oder so?«
    Da ich später noch einmal Auto fahren musste, verbrachte ich den Abend notgedrungen ohne Alkohol und stellte wieder einmal fest, was für eine gute Sache das war. Erst nach langer Zeit entspannte ich mich, kehrte Ruhe ein in meinem Kopf. Ich hörte Musik, dreimal hintereinander meine neueste Errungenschaft, das »Officium« von Jan Garbarek. Nebenbei

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