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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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Pressekonferenz geben würde.
     
    Diesmal musste ich eine ganze Weile herumtelefonieren und zwischendurch ein wenig ungehobelt werden, bis ich die Person in der Leitung hatte, die ich sprechen wollte. Frau Hellhuber hatte Unterricht und musste aus der Klasse geholt werden. »Ob er verletzt war?«, fragte sie. »Nein. Zumindest ist mir nichts an ihm aufgefallen.«
    »Nach allem, was wir wissen, müsste er völlig zerkratzt gewesen sein. Im Gesicht, am Hals, an den Händen. Das Mädchen hat sich gewehrt mit allem, was sie hatte.«
    »Nein, bestimmt nicht. Das wäre mir nicht entgangen.«
    Was war nur los mit diesem Wahnsinnigen? Was, zur Hölle, konnte denn noch schlimmer sein als die Vergewaltigung eines Kindes, sodass er das eine gestand, damit das andere nicht ans Licht kam? Er wollte sich für etwas bestrafen, das war klar. Das hatte ich in seinen Augen gesehen.
    Seligmann lief Amok. Amok gegen sich selbst. Und außer ihm gab es nur einen Menschen auf dieser Welt, der mir die Frage nach dem Warum beantworten konnte.

20
    Sie war noch immer hübsch. Das lange, hellblonde Haar hätte man ihr vielleicht ein wenig häufiger und auch mit etwas mehr Liebe schneiden können. Aber die junge Frau mit dem ein klein wenig zu breiten Gesicht wirkte keineswegs vernachlässigt. Ihre Fingernägel waren nicht ganz sauber, was aber daher rührte, dass sie gerne bei der Gartenarbeit half, hatte mir die Pflegerin erklärt, während sie mich durch das weitläufige Gelände führte.
    »Und keine Angst, unser Julchen ist harmlos. Pflegeleicht, im wahrsten Sinn des Wortes«, hatte sie mit fröhlichem Lachen hinzugefügt. Die Frau war stark übergewichtig, schaffte es mit ihrem Optimismus aber dennoch, fast schön zu wirken. Ein Mensch, der so offensichtlich mit sich im Reinen ist, wirkt ja immer attraktiv.
    Jule sah mich an, wie ein Mensch hin und wieder irgendetwas ansieht, wenn ihm ein wichtiger Gedanke durch den Kopf fährt, der mit diesem Etwas rein gar nichts zu tun hat. Ebenso gut hätte ich ein Baum sein können, ein Stuhl, der Papst oder ein Springbrunnen. Ganz allein saß sie auf einer kleinen Terrasse mit herrlichem Blick ins Tal, den sie nicht wahrnahm. Die Junisonne schien Jule nicht zu wärmen. Ich nickte der Pflegerin freundlich zu, sie winkte, immer noch lachend, und verschwand mit eiligen, kleinen Schritten. Niemals werde ich Menschen begreifen, die bei einem solchen Beruf ihre gute Laune bewahren können.
    »Jule?«
    Natürlich war ich befangen, wer wäre das nicht? Umständlich nahm ich mir einen der weiß lackierten Gitterstühle, trug ihn an den Tisch, wo Jule saß, und setzte mich so, dass sie mich ansehen musste. Aber ihr Blick ging durch mich hindurch.
    »Keine Angst, sie beißt wirklich nicht«, hatte meine Führerin mir in ihrer unerschütterlichen Heiterkeit noch erklärt, bevor sie uns allein ließ. »Sie können mit ihr reden, was Sie wollen, aber sie wird Ihnen nicht antworten. Sie sollten sie allerdings nicht anfassen, das kann sie nicht leiden. Nur wenn Sie Pflanzen in ihre Nähe bringen, dann erwacht sie. Pflanzen sind ihr Leben. Mit Menschen will sie nichts mehr zu tun haben. Und ehrlich gesagt …«, bei diesen Worten hatte sie ihre Stimme gesenkt, »… ich weiß ja, was ihr zugestoßen ist. Und manchmal, muss ich sagen, manchmal verstehe ich sie irgendwie.«
    »Frau Ahrens?«
    Nicht einmal das Zucken eines Augenwinkels, nichts. Inzwischen war später Nachmittag, die Sonne stand schon tief über den Hügeln des Odenwalds. Es roch nach Heu.
    »Jule?«
    In diesem verlorenen Blick war keine Spur von Traurigkeit. Diese entspannte Miene blieb ohne Vorwurf. Plötzlich gelang es mir nicht mehr, Mitleid mit dieser jungen Frau zu haben. Vielleicht war sie gar nicht so unglücklich, wie ich mir vorgestellt hatte? Vielleicht hatte ihre Seele das einzig Richtige getan, als sie damals beschloss, einfach nicht mehr mitzumachen bei unseren grausamen Spielchen? Nichts mehr wissen zu wollen von uns? Ich fühlte mich merkwürdig geborgen unter diesem klaren Blick, der nichts ausdrückte.
    Als ich den Kopf sacht bewegte, folgten ihre Augen. Jule nahm mich also wahr. Aber ich war nicht wichtig. Ich spielte keine Rolle in ihrer Welt.
    Ich weiß nicht, wie lange ich schwieg. Vögel zwitscherten und stritten in einem nahen Wäldchen, Stare vielleicht. Menschen lachten. Ein Raubvogel kreiste unentwegt und in großer Höhe über uns. Irgendwo fing jemand an, herzzerreißend zu weinen, wurde aber bald getröstet. Jule sah mich

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