Heidelberger Wut
Sarah. Ich drückte den roten Knopf.
»Vielleicht kann uns Herr Seligmann wenigstens zu diesem Punkt Auskunft geben«, fuhr ich schließlich fort, da vom Anwalt offenbar nichts mehr zu erwarten war. »Hatten Sie wirklich ein Verhältnis mit dem Mädchen?«
»Ich verlange, mit meinem Mandanten sofort unter vier Augen zu sprechen«, fauchte Doktor Knobel. »Das ist ein abgekartetes Spiel! Sie versuchen, uns zu überrumpeln! Aber so nicht! Nicht mit uns! Wir werden unsere …«
»Halten Sie die Klappe«, fuhr Seligmann ihm ins Wort, ohne die Stimme zu heben. Der Anwalt verstummte kurz. Aber jetzt war er in Fahrt.
»Ich bestehe darauf, ich verlange in schärfster Form, unverzüglich mit meinem Mandanten unter …«
»Die Klappe sollen Sie halten«, wiederholte sein Mandant mürrisch. »Es gibt nichts mehr zu reden. Ich gestehe.« Endlich sah er mir ins Gesicht mit dem Blick eines Mannes, der weiß, dass er verloren hat. »Ja, ich war’s. Sind Sie nun zufrieden?«
Vangelis neben mir schien das Atmen vergessen zu haben. Runkel dagegen schnaubte wie ein Walross, das zu lange unter Wasser geblieben war.
Ich nickte.
»Dann möchte ich bitte in meine Zelle gebracht werden. Ich muss jetzt allein sein.« Seligmanns Miene drückte Ergebenheit aus. »Bitte.«
Wir wechselten Blicke.
Ich klappte den Laborbericht zu.
»Okay. Wir machen dann morgen früh weiter.«
»Wow, das ging aber flott!«, meinte Vangelis, als wir wieder unter uns waren. »Ich dachte schon, der Abend ist im Eimer.«
»Der ist froh, dass es vorbei ist«, meinte Runkel. »Das hat man doch gesehen.«
»Morgen Vormittag werden wir eine hübsche Pressekonferenz veranstalten.« Entspannt packte ich meine Papiere zusammen. »Das ist endlich mal wieder was, wofür sie uns loben müssen.«
Fast noch mehr als über Seligmanns rasches Geständnis freute ich mich darüber, dass mein abendliches Treffen mit Theresa nun doch nicht ausfallen musste. Auf der Treppe in die Chefetage hinauf schaltete ich das Handy wieder ein. Drei SMS von meinen Töchtern, die offenbar am Verzweifeln waren.
Es wurde nach dem ersten Läuten abgenommen.
»Was gibt’s?«, fragte ich leutselig. »Jetzt hab ich Zeit für euch.«
»Na, prima«, fauchte Sarah. »Echt super!«
»Was wolltet ihr von mir?«
»Fragen, ob wir heut Abend auf eine Geburtstagsparty dürfen. Nach Rohrbach.«
»Wenn ihr zu einer vernünftigen Zeit daheim seid, natürlich«, erklärte ich großzügig. »Wie kommt ihr hin und zurück?«
»Wir wollten fragen, ob du uns fährst.«
Das passte mir nun gar nicht.
»Und darum macht ihr so ein Theater und ruft mich fünf Mal an?«
»Also nicht«, stellte sie pampig fest. »War ja eh klar.«
»Hört mal, Mädels, ich hab gleich noch einen wichtigen Termin …«
»Louise hat ja gleich gesagt, dass du bestimmt wieder keine Zeit hast. Dann eben nicht. Alle gehen hin, die ganze Klasse …«
»Stopp!« rief ich, bevor sie das »nur wir wieder nicht« aussprechen konnte. »Klar fahre ich euch. Reicht es um neun?«
»Ein Lehrer vergewaltigt eine seiner Schülerinnen«, Theresa war fassungslos, »und zehn Jahre lang kommt keiner bei euch auf die Idee, sich den Mann mal näher anzusehen?«
»Er bringt sie dabei fast um und, das ist das Merkwürdige an der Geschichte, fährt sie anschließend ins Krankenhaus.«
Wir lagen entspannt auf dem Bett, der erste Sturm der Leidenschaft war vorüber. Theresa rauchte und sah zur Decke.
»Aber …« Sie verstummte.
»Ich weiß, was du sagen willst.« Ich streichelte sachte ihre Brüste, ihren Bauch. Ihre rechte Hand lag auf meinem Oberschenkel. Ziemlich weit oben. »Er musste damit rechnen, dass sie ihn anzeigt, sobald sie wieder bei Bewusstsein ist. Ich verstehe es auch nicht. Morgen werde ich ihn fragen.«
»Menschen benehmen sich oft nicht sehr logisch«, seufzte sie mit wohligem Schaudern.
»Vor allem, wenn es um Sex geht.« Meine Hand wanderte abwärts. Ihre aufwärts. Wir versanken wieder in diesem rosaroten Nebel, der uns für ein Weilchen die Illusion verschafft, das Leben sei perfekt.
»Es gibt eigentlich nur eine Erklärung«, setzte sie unser Gespräch fort, als ihre zweite Zigarette brannte. »Er ist in Panik geraten, als er merkte, was er angerichtet hatte, und wusste nicht mehr, was er tat.«
»Oder er wusste es ganz genau und versuchte zu retten, was zu retten war. Das spricht immerhin dafür, dass er so etwas wie ein Gewissen hat.«
»Er hätte sie vor dem Eingang der Klinik ablegen und verschwinden
Weitere Kostenlose Bücher