Heidelberger Wut
schwer zu erraten«, seufzte der Anwalt mit einem Blick zur Decke, »so kurz vor Weihnachten.«
»Und auch da hat es hier kein Entgegenkommen gegeben und keinen Deal.« Sekundenlang sahen wir uns in die Augen. »Und deshalb wird in unseren Protokollen exakt das stehen, was unsere Ermittlungen ans Licht bringen. Und Herr Braun wird hier exakt die Behandlung erfahren, die jeder Kriminelle erfährt. Er hat eine Bank überfallen. Zudem hat er sein Wissen als Angestellter dieser Bank genutzt, was wir als besondere Heimtücke darstellen werden. Er befand sich weder in einer Notlage noch in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit. Es hat ihn nichts weiter angetrieben als die Raffgier. Er wollte nichts, als mit seiner kleinen, hübschen Freundin in Braus und Saus zu leben.«
»In Braus und Saus?«
»Eine ziemliche Menge ziemlich mieser Motive, finden Sie nicht?«
Professor Breitenbach erhob sich wortlos, nickte mir knapp zu und wandte sich zum Gehen. In der Tür blieb er stehen. Sah mich an.
»Ich musste es versuchen. Es ist mein Job.«
»Ich weiß«, sagte ich.
Wir grinsten uns an.
24
Rebecca Brauns Blick irrte umher. »Harry?«, fragte sie. »Aber wieso denn, um Himmels willen?«
Sie sah mir in die Augen mit der unausgesprochenen Bitte, es nicht wahr sein zu lassen.
»Es tut mir so leid für Sie«, sagte ich betreten. »Ich kann mir vorstellen, wie Ihnen zumute ist.«
»Dass er mich betrügt, habe ich schon lange geahnt. Aber es ist doch etwas anderes, wenn man auf einmal Gewissheit hat.«
Sie sprang auf, lief zum Fenster, als müsste sie es aufreißen, um Luft zu bekommen. Aber dann blieb sie abrupt davor stehen und senkte den Kopf. Ihre schmalen Schultern hoben und senkten sich. Die moderne elektrische Uhr an der Wand tickte. Irgendwo im Haus summte ein Gerät. Vielleicht eine Waschmaschine. Bei mir zu Hause stapelte sich die Schmutzwäsche auch schon wieder, da ich am vergangenen Wochenende nur zum Schlafen zu Hause gewesen war.
Endlich wandte Frau Braun sich um. »Es wird schwer werden«, sagte sie heiser. »Aber ich werde es schaffen. Wie lange wird er wohl eingesperrt?«
»Acht, zehn Jahre. Bei guter Führung kommt er früher raus. Aber eine Stelle bei einer Bank wird er nicht mehr finden.«
Sie setzte sich wieder an ihren alten Platz. Starrte eine Weile ungläubig den hellen Berberteppich an. Dann sah sie auf.
»Ich werde nicht mehr hier sein, wenn er zurückkommt.«
»Werden Sie Arbeit finden?«
»Warum nicht?«, fragte sie achselzuckend. »Ich bin nicht aus Zucker. Ich bin zäher, als Sie denken. Das Haus ist einiges wert. Es muss auch noch Geld da sein. Aktien. Wertpapiere.«
»Da bin ich mir leider nicht so sicher.« Ich fühlte mich elend bei diesem Satz. »Die Beute aus dem Bankraub wird natürlich eingezogen. Und Ihr Mann hat in den letzten Monaten eine Menge Unkosten gehabt.«
Ohne aufzusehen, schüttelte sie abwehrend den Kopf. »Ich bin auch früher klargekommen. Und im äußersten Fall habe ich ja immer noch David. Verhungern werde ich schon nicht.«
Nach langem Schweigen machte sie mit dem Kopf eine knappe Bewegung, die bedeutete, ich solle verschwinden.
»Was ist denn hier los?«, fragte eine durchdringende Frauenstimme in meinem Rücken, als ich die Wagentür aufschloss. Jetzt erst bemerkte ich, dass in der Einfahrt des grünen Hauses auf der anderen Straßenseite ein Wohnmobil stand. Habereckls waren aus dem Urlaub zurück, die einzigen Nachbarn von Seligmann, mit denen wir bisher nicht gesprochen hatten.
Frau Habereckl, eine aufrechte Weißblonde, deren schicke Kleidung nicht recht zu ihrem groben Gesicht und dem heruntergekommenen Häuschen passen wollte, gab sich keine Mühe, ihre Neugier zu verbergen.
»Was machen die ganzen Presseleute da drüben bei Herrn Seligmann? Sie sind Polizist? Ist irgendwas passiert? Wir haben gehört, Herr Braun sei verhaftet worden?«
»Dürfte ich hereinkommen?« Ich ließ sie meinen Ausweis sehen.
Eilfertig öffnete sie das frisch verzinkte und gut geschmierte Gartentörchen. Der Vorgarten war mit pflegeleichten Bodendeckern und stacheligen Sträuchern bewachsen und versprühte den Charme eines Familiengrabs.
»Woran haben Sie gesehen, dass ich Polizist bin?«
»Mein Vater war auch bei eurem Verein«, erwiderte sie heiter. »Meine beiden Brüder sind es noch. Man kriegt eine Nase dafür.«
Im Hausflur stapelte sich das übliche Chaos am Ende eines längeren Urlaubs. Taschen voller Kleidung, Plastikkisten angefüllt mit
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