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Heidenmauer

Heidenmauer

Titel: Heidenmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Brüderchen, der Doktor Heinrich mit dem Narbengesicht, der ist ja schon ein Kotzbrocken, aber uns Ludwig der Kahle toppt sogar den noch. Der Missmut scheint mir bei denen in der Familie zu liegen, wenngleich man nicht meint, dass die beiden Brüder sind, wenn man sie so miteinander vergleicht. Der eine untersetzt, der andere ein zäher Schlaks. Ich fahre heute noch bei dem Dicken vorbei, weil er ab morgen für einige Tage weg ist, und er hat nicht um alles in der Welt hierher auf die Dienststelle kommen wollen. Das geht ja schon gut los mit dem. Hast du vielleicht Lust mitzukommen?«
    Schielin lehnte dankend ab und wählte die Nummer, die Borgghes hinterlassen hatte. Der war gleich am Telefon und bedankte sich überaus freundlich für den Rückruf. Seine Mutter war inzwischen angekommen, hatte von dem erfahren, was Günther Bamm widerfahren war, und hatte den Wunsch geäußert, mit Schielin zu reden. Sie vereinbarten, dass Schielin gleich am morgigen Vormittag vorbeischauen würde.
    Als Jasmin Gangbacher zurück auf die Dienststelle kam, traf sie die anderen im Besprechungszimmer.
    »Und!? Was gibt es Neues über unseren Professor?«, fragte Wenzel, »du warst doch heute am See unterwegs in Sachen Bienenpfarrer, mhm.«
    Sie wiederholte lachend: »Bienenpfarrer, das klingt schön, und weißt du was, er hat den Begriff selbst verwendet, denn früher war es gar nicht so selten, dass Pfarrer auch als Imker tätig waren und einige Bienenvölker im Pfarrgarten hielten. Heute haben die vor lauter Eventmanagement keine Zeit mehr für so was, und ich weiß nicht, was besser ist.«
    Dann berichtete sie davon, wie rührend Ludwig Armbruster für seine Eltern sorgte, die nach der Pensionierung des Vaters in einer Freiburger Stadtwohnung lebten, und dass es für ihn nichts Wichtigeres gab, als seine Eltern und Verwandten endlich am Bodensee zu wissen.
    Gommert machte anschließend große Augen, als er hörte, dass dieser Ludwig Armbruster eine Insektenfalle für Bienenstöcke entwickelt hatte und das Patent an eine Firma hatte verkaufen können. Mit diesem Geld und dem Zuschuss einer Tante war er eines Tages an den Bodensee gefahren und hatte ein Haus in der Schulstraße in Überlingen erworben. Der Vorteil des Hauses hatte darin bestanden, dass es nur zwanzig Meter vom See entfernt lag und keinen eigenen Garten hatte, sodass die Mutter Armbrusters keine Arbeit damit hatte, und so Gelegenheit schuf, sich nach und nach ein wenig zu erholen, auf einem Bänkchen am Seeufer zu sitzen, über das Wasser zu blicken und mit Leuten zu reden, die Zeit hatten, ein Schwätzchen zu halten.
    »Klingt gut«, meinte Schielin, der beeindruckt war, wie intensiv sich die neue Kollegin mit diesem Armbruster befasste.
    »Schon, aber es war wohl schwer für ihn, als er seiner Mutter erklären musste, dass die Nazis ihn aus allen Ämtern gejagt hatten. Stell dir das mal vor.«
    »Aber jetzt hat der ein Haus in Überlingen gekauft, wie kommt der dann eigentlich nach Lindau?«, fragte Wenzel.
    »Ja, eigentlich wollte er ja in Überlingen bleiben. Seine Mutter war dort im Dezember 1935 gestorben, und das Haus war für ihn und seine Forschungen zu klein, er hatte eine umfangreiche Bibliothek und einige große Sammlungen, keine Ahnung, was genau. Jedenfalls hatte er sich einen Bauplatz in St. Leonhard gesichert, im Osten von Überlingen, und zusammen mit seinem Bruder einen Badeplatz in Nußdorf. Der Bau des Hauses kam aber nicht zustande. Es gab Streit mit dem Architekten und andere Schwierigkeiten. Aber er war ein – heute würde man sagen – gut vernetzter Mensch. Über den Freund eines Bekannten erfuhr er von einem Anwesen in Lindau, das zum Verkauf stand – das Landhaus Giebelbach.«
    Schielin hob den Kopf. »Mhm.«
    Erich Gommert meinte: »Und des alles ohne Internet, Telefon, Handy und all des Zeug, gell. Einfach miteinander schwätze.«
    Sie nickte ihm zu. »Im Herbst 1936 hat er es gekauft, und ab August 1943 hat er dann fest dort gewohnt.«
    Sie unterhielten sich noch eine Weile über den Professor, dann löste sich die Runde auf, denn das Wochenende wollte erlebt werden.
    Lydia packte ihre Sachen im Büro zusammen. »Was war nun auf der Mainau?«, wollte sie von Schielin wissen.
    »Ginkgo«, lautete die kryptische Antwort.
    Wie aus dem Nichts war da plötzlich dieser Schatten in der Tür. Lydia erschrak und fluchte. »Gommi …!«
    »Machts ihr schon Schluss?«
    »Ist ja wohl spät genug. Was machst eigentlich du noch hier?«, sagte Lydia

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